Ein sehr vielseitiges Element

Was die komplette Erdkugel angeht, ist der Kohlenstoff keines der häufigen Elemente. Dafür kommt er im belebten Teil der Erde in umso größerer Menge vor. Kein Lebewesen kommt ohne Kohlenstoff aus. Und auch in unserem technischen Lebensumfeld ist er öfter zu finden, als wohl so mancher denkt.

Böser, böser Kohlenstoff?

Im englischen gibt es eine sprachliche Unsitte, Begriffe – manchmal sinnentstellend – abzukürzen. Und da wird gerne einmal aus Kohlenhydraten, carbohydrates, einfach „carb“ und aus dem CO2-Fußabdruck, dem carbon dioxide footprint, der „carbon footprint“. Da könnte man doch glatt den Eindruck bekommen, der gute, alte Kohlenstoff sei ein böser Wicht in dieser Welt.

Kohlenstoff - Rauchende Schonsteine
Bei jeder Verbrennung von organischer Materie entsteht CO2. Der sprichwörtliche“rauchende Schornstein“ war früher das Symbol für eine prosperierende Industrie. Heutzutage sieht man so ein Bild auch schon mal als Sinnbild für das „Giftgas“ CO2 . Tatsächlich ist das, was heutzutage bei uns als sichtbarer „Qualm“ aus den Schornsteinen kommt, harmloser kondensierter Wasserdampf. Das CO2, das natürlich auch in den Abgasen enthalten ist, sieht man nicht. (Bild: Janusz Walczak /Lizenz: Pixabay)

Tatsächlich sind aber mit den beiden Abkürzungen nicht der Kohlenstoff selbst, sondern zwei seiner Verbindungen gemeint. Einmal die Kohlenhydrate, die uns dick machen. Das andere Mal das bitterböse Kohlendioxid, dessentwegen wir demnächst im eigenen Saft gegart werden.

Kohlenhydrate machen nicht nur dick, sondern könnem den Körper auch sehr schnell Energie liefern. Sehr leicht halt auch schneller als er sie gebrauchen kann. Und dann machen die Kohlenhydrate eben dick. „Low Carb“, die kohlenhydratereduzierte Ernährung ist ein wertvoller Baustein einer sinnvollen Strategie zum Abnehmen. Das bedeutet aber nicht, dass der Kohlenstoff an sich ein schlimmer Finger sei. Schließlich sind ja auch die beiden anderen grundlegenden Gruppen von Nährstoffen Kohlenstoffverbindungen: die Eiweiße und die Fette.

Auch wenn man in einem seiner Oxide, dem Kohlenstoffdioxid, Kohlendioxid oder CO2 genannt, die Ursache für die Erderwärmung sieht, hat das mit dem Kohlenstoff an sich nichts zu tun. Tatsächlich giftig – und zwar richtig bösartig – ist nur sein anderes Oxid, das Kohlenmonoxid CO. Außerdem ist es brennbar.

Ohne Kohlenstoff geht gar nichts

Für den, der seine Bedeutung kennt, ist Eisen ein mythischer, ja fast ein magischer Stoff. Ohne den Kohlenstoff wäre es aber kaum etwas wert. Ohne ihn gäbe es weder Stähle noch Eisengusswerkstoffe. Und vor allem ohne den Stahl könnten wir praktisch unsere gesamte Technik in die Tonne treten. Was Eisen und Kohlenstoff miteinander tun, darüber gibt es hier einen eigenen Artikel. An dieser Stelle hingegen soll es um die Kohlenstoffchemie gehen, die man auch als organische Chemie bezeichnet.

So kann man sich ein Kohlenstoffatom nach dem Bohrschen Atommodel vorstellen: Er besitzteine vollbesetzte k-Schale und vier Außenelektronen, steht deshalb in der vierten Hauptgruppe und der zweiten Periode des Periodensystems, insgesamt an sechster Stelle (Bild: Ahazard.sciencewriter/Lizenz: CC Attribution-Share Alike 4.0 International)

Reiner Kohlenstoff tut in keiner seiner hauptsächlichen drei Erscheinungsformen irgendjemand etwas zu Leide. Er kann amorph daher kommen, dann nennen wir ihn Ruß. Auch Holzkohle ist fast reiner amorpher Kohlenstoff. Noch ein wenig reiner ist Tierkohle, die wir als Aktivkohle bedenkenlos essen, wenn uns Montezumas Rache ereilt hat.

Außer seiner amorphen Form kann der Kohlenstoff im wesentlichen zwei kristalline Formen annehmen. In der einen kann man ihn zum Schreiben und Zeichnen nehmen. Das ist das Graphit. Aus der anderen sind eines Mädchens beste Freunde – Diamanten. Und auch diese beiden Formen sind nicht giftig.

Technisch kann man dem Kohlenstoff noch andere Formen aufzwingen. Zum Beispiel kann man Fasern aus ihm machen, die berühmten Carbonfasern

Der Kohlenstoff ist der Grundbaustein allen Lebens. Es gibt Leben ohne Sauerstoff, aber kein Leben ohne Kohlenstoff. Von seiner einfachsten Verbindung, dem Methan, bis zu komplizierten Makromolekülen wie der DNS reicht die Bandbreite der organischen, der Kohlenstoffchemie. Sie spielt nicht nur eine Rolle für unsere Ernährung, sondern auch für Rauschgifte und Medikamente, für Energieträger und Werkstoffe.

Das CO2 – ein Giftgas?

Und wo kommen alle diese unglaublich vielen Kohlenstoffverbindungen um uns herum her? Letztendlich vom CO2 in der Luft. Je nach Zeitalter war davon ein kleines bisschen oder auch etwas mehr darin enthalten. Heute sind es etwa 0,038%, es waren aber auch schon etwas weniger und vor allem auch deutlich mehr. Aber nie mehr, als winzige Mengen im Vergleich zu Sauerstoff oder Stickstoff, den Hauptbestandteilen unserer Luft. Es sind sogar insgesamt mehr Edelgase (1%) in der Luft enthalten als CO2.

Kohlenstoff - Kohlendioxid
Ein CO2-Molekül: Ein Kohlenstoff- und zwei Sauerstoffatome – Das Rohmaterial, das von Pflanzen mit Hilfe von Sonnenlicht… (Bild: Jynto/Lizenz: PD)

Trotzdem ist dieses kleine bisschen CO2 in der Luft – direkt und indirekt – die Nahrungsgrundlage der gesamten belebten Natur. CO2 und Wasser sind die Endprodukte beim Abbau von organischer Materie in Anwesenheit von Sauerstoff.

Und mit CO2 und Wasser beginnt die Produktion von organischen Substanzen. In den grünen Teilen von Pflanzen wird mithilfe der Fotosynthese aus Wasser und dem CO2 der Luft Glukose erzeugt, das ist Traubenzucker. Dabei wird Sauerstoff frei, der in die Atmosphäre abgegeben wird.

Die Bausteine des Lebens

Mit der Erzeugung von Traubenzucker ist der erste Schritt getan. Die Pflanze macht daraus weitere organische Stoffe. Das sind zum Beispiel Stärke und Cellulose, die auch zu den Zuckern gehören. Nicht alle Zucker sind nämlich süß und/oder essbar. Die süßen Zucker sind Einfach- und Zweifachzucker. Sie bestehen aus einem bzw. zwei Zuckermolekülen. Die Zuckermoleküle können aber auch längere Ketten bilden. Cellulose zum Beispiel ist so ein Kettenmolekül.

Kohlenstoff - Glucose, Traubenzucker
… zunächst zu Glucose (Traubenzucker) und dann auch zu anderen Kohlehydraten, Fetten und Proteinen vearbeitet wird (Bild: Bin im Garten/Lizen: CC Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Der Sammelbegriff lautet Kohlenhydrate, das hat jeder schon mal gehört. In den Kohlenhydraten sind nur Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff enthalten. Trotzdem können sie recht komplexe Makromoleküle bilden. Die essbaren Kohlenhydrate, die eigentlichen Zucker und Stärke werden in unserem Darm zu Blutzucker verarbeitet, der als Kraftstoff für unsere Muskeln und unser Gehirn dient.

Ist mehr Zucker im Blut als gebraucht wird, springt die Bauchspeicheldrüse an. Die macht Insulin und dieses verwandelt den Blutzucker in Blutfett, das dann in Form von Körperfett aufgespeichert wird. Auch Pflanzen können Fette erzeugen und zwar Pflanzenöle, die man speziell in den Samen findet. Auch Fette enthalten lediglich Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff.

Kohlenstoff und Stickstoff

Zwei der grundlegenden Stoffklassen, die unsere Nahrung bilden, können also aus Wasser (H20) und CO2 alleine entstehen. Für die dritte, das Eiweiß, braucht es einen weiteren Stoff: den Stickstoff. Lustigerweise ist in unserer Welt haufenweise Stickstoff vorhanden – die Luft besteht zu fast 80 % daraus – aber ausgerechnet er ist der kritische Stoff bei der Entstehung von Biomasse.

Einerseits können Pflanzen aus aus der winzigen Menge CO2 in der Luft jede Menge Kohlenhydrate herstellen, andererseits können sie mit den riesigen Mengen an Stickstoff nichts anfangen. Damit er als Pflanzenfutter dienen kann, muss der Stickstoff nämlich in Form von bestimmten chemischen Verbindungen vorliegen, die man als pflanzenverwertbaren Stickstoff bezeichnet.

Mangelware Stickstoff

In unserer Natur gibt es eigentlich nur eine Sorte von Pflanzen, die sich ihren eigenen Stickstoff machen kann. Und auch die machen es, genau genommen, nicht selbst. Das sind die sogenannten Leguminosen, zu denen zum Beispiel Klee und Hülsenfrüchte gehören. Jeder Gärtner weiß, dass Bohnen, obwohl sie viel Eiweiß enthalten, keine besondere Stickstoffdüngung benötigen wie das etwa bei anderen eiweißreichen Pflanzen wie Kohl der Fall ist. Man kann diese sogenannten Starkzehrer – das sind Pflanzen, die viel Stickstoff brauchen – sogar nach den Bohnen anbauen, ohne dass man extra mit Stickstoff düngen muss. Die Bohnen lassen so viel Stickstoff im Boden zurück, dass es nachher für den Kohl auch noch reicht.

Maisernte: Pflanzenverwertbarer Stickstoff ist in der Natur Mangelware. Um hohe Hektarerträge in der Landwirtschaft zu erreichen, setzt man Kunstdünger ein (Bild: Autor)

Genauso funktioniert die sogenannte Gründüngung mit Klee: Der Klee produziert eiweißreiche und damit stickstoffhaltige Biomasse. Dann pflügt man ihn einfach unter und beim Verrotten landet der Stickstoff im Boden.

Die Leguminosen leben mit einer bestimmten Sorte Bakterien in Symbiose. Das sind die Knöllchenbakterien, die an den Wurzeln dieser Pflanzen sitzen. Sie können aus Luftstickstoff pflanzenverwertbare Stickstoffverbindungen machen und versorgen ihren Symbiosepartner damit. Dafür bekommen sie von ihm andere Stoffe, die sie selbst gut gebrauchen können.

Bevor es künstlichen Stickstoffdünger gab, waren die Pflanzen mit den Knöllchenbakterien der einzige Weg, auf dem neuer Stickstoff in den (Acker-)Boden gelangte. Mist und Kompost sind lediglich Teil des Kreislaufes und ihr Stickstoff kommt letztendlich aus dem Boden. Früher ließen die Bauern jedes Jahr einen von drei bzw. vier Äckern brach liegen. Dabei gelangte dann durch wild wachsende Leguminosen ein wenig Stickstoff in den Boden. Bei der Gründüngung geht das im Prinzip genauso, aber effektiver. Trotzdem waren die Erträge sehr mager im Vergleich zu dem, was man seit der Einführung des Kunstdüngers erreichen kann.

Der Kohlenstoff-Kreislauf

In allen drei Grundstoffen des Lebens, Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße, ist also Kohlenstoff enthalten. Er wandert durch sämtliche Nahrungsketten, bis schließlich eine Pflanze oder ein Tier stirbt und seine Biomasse abgebaut wird. Das passiert meist in der Anwesenheit von Luftsauerstoff. Beim Abbau bleiben neben den mineralischen Bestandteilen Wasser und CO2 übrig. Und auch aus dem Teil seiner Nahrung, den ein Lebewesen energetisch verwertet, wird dabei Wasser und CO2. Aus dem Stickstoff im Eiweiß wird letztendlich Harnstoff, der ebenfalls ausgeschieden wird.

Kohlenstoff - Pflanzen
Masssenweise Biomasse: Praktisch alle Biomasse auf unserem Planeten stammt letztendlich aus dem CO2 der Luft. (Bild: Autor)

In jedem Fall landet der Kohlenstoff am Ende seiner Reise wieder in Form von CO2 in der Luft und steht wieder als Nahrungsgrundlage für die Pflanzen zur Verfügung. Und die nehmen wieder den Kohlenstoff, um Biomasse zu erzeugen, und geben den Sauerstoff an die Luft ab.

Wenn keine Luft an tote Biomasse kommt, wird sie von Lebewesen abgebaut, die keinen Sauerstoff brauchen, anaeroben Bakterien. Die Biomasse verottet dabei nicht, sondern verfault. Das passiert unter Wasser und in Sümpfen. Die anaeroben Lebewesen sind beim Nutzen der Biomasse nicht so effizient. Sie bauen die organische Materie nur bis zum Methan ab, das aus Kohlenstoff und Wasserstoff besteht. Dieses Methan enthält noch Energie und kann deswegen energetisch genutzt, verbrannt werden. Und dann sind wir wieder bei CO2 und Wasser.

CO2 - Kohlenstoffkreislauf
Der Kohlenstoffkreislauf: Er beginnt und endet mit CO2 und Wasser (Bild: Mikael Häggström/Lizenz: CC Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert)

In Biogasanlagen lässt man organische Materie verfaulen um Methan zu bekommen. Weil man die Luft nicht 100-prozentig aussperren kann, entsteht dabei aber immer auch etwas CO2. Diese Mischung aus Methan und CO2 nennt man Biogas. Wenn man das CO2 abtrennt, hat man das gleiche wie Erdgas, das zum größten Teil aus Methan besteht.

Die Kohlenwasserstoffe

Es gibt nun auch Kohlenstoffverbindungen, die keinen Sauerstoff enthalten, sondern lediglich Kohlenstoff und Wasserstoff. Deswegen heißen sie Kohlenwasserstoffe. Die einfachste dieser Verbindungen, ist das Methan, das lediglich aus einem Kohlenstoff und vier Wasserstoffatomen besteht.

Komplexere Kohlenwasserstoffe können sich bilden, wenn nicht nur kein Sauerstoff da ist sondern auch keine anaeroben Lebewesen, die für Fäulnis sorgen könnten. Dann entstehen die verschiedensten Kohlenwasserstoffe. Das fängt mit dem Methan an – das ist dann Erdgas. Es können sich auch größere Kohlenwasserstoff-Moleküle bilden, die dünn- bis zähflüssig sind, das ist Erdöl. Und es können auch sehr komplexe Moleküle entstehen, die dann fest sind. Das ist Kohle.

metahnmolekül
Methan – Der einfachste Kohlenwasserstoff (Bild: Autor)

Erdgas, Erdöl und Kohle sind also Kohlenwasserstoffe, die aus Lebewesen entstanden sind, die vor langer Zeit gelebt haben. Sie haben eins gemeinsam: Sie enthalten sehr viel Energie. Deswegen basierte seit der Industrialisierung bis in unsere heutige Zeit die Energieversorgung auf diesen sogenannten fossilen Energieträgern.

Kohlenstoff-Verbindungen als Rohstoff

Auf den Kohlenwasserstoffen basiert aber nicht nur die Energiegewinnung, sondern ein großer Teil der chemischen Industrie. Der Kohlenstoff ist so vielseitig, dass er außer so einfachen Dingen wie Kohlenwasserstoffen auch sehr komplizierte chemische Verbindungen bilden kann. Und die sind sehr vielseitig zu nutzen. Und das tolle daran ist: Man kann mit diesen Verbindungen so zu sagen herumbasteln und gezielt ganz bestimmte Stoffe erzeugen.

Rauschgifte zum Beispiel basieren größtenteils letztendlich auf Kohlenstoff; zum Teil spielt auch der Stickstoff mit. Ethanol, Trinkalkohol, eines der gefährlichsten Rauschgifte, gehört hier dazu. Aber auch das THC in Haschisch und Marihuana sowie Opium, Morphium und Heroin. Und die Amphetamine – „Speed“ – sowie Kokain. Aber nicht nur in Rauschgiften, sondern auch in einer Unzahl von Medikamenten ist der Kohlenstoff verbaut.

Kunststoffe sind praktisch immer Kohlenstoffverbindungen. Manchmal ahmt man dabei sogar natürliche Kohlenstoffverbindungen nach. Die Verbindung zwischen den Molekülen im Nylon funktioniert zum Beispiel genauso wie die bei den Eiweißmolekülen, aus denen Seide besteht. Beide Fasern sind äußerst reißfest.

Kohlenstoff - Kohlenwasserstoffe
Ein paar Beispiele für Kohlenwasserstoffe wie sie z.B. im Erdöl enthalten sind bzw. daraus hergestellt werden (Bild: Autor)

Naturgummi ist auch eine Kohlenstoffverbindung. Und natürlich basieren die chemischen „Nachahmungen“ aus künstlichem Kautschuk auch auf Kohlenstoff. Auf Kohlenstoff basieren neben künstlichem Gummi Kunststoffe mit den unterschiedlichsten Eigenschaften. Sie bestehen aus einfacheren und auch komplizierteren Makromolekülen von Kohlenstoffverbindungen.

Vielseitige Kohlenstoffchemie

Manche Prozesse, bei denen Kohlenstoff-Verbindungen umgewandelt werden, sind sehr einfach zu bewerkstelligen, für andere braucht man komplizierte technische Verfahren. Die Herstellung von Ethanol, also Trinkalkohol, ist ein Beispiel für ein Verfahren, dass man mit einfachen Mitteln durchführen kann. Natürlich wussten die Menschen lange Zeit überhaupt nicht, was beim Mälzen und Gären eigentlich genau passiert. Man brauchte ja nur zu wissen, wie man es macht.

Das Mälzen zum Beispiel ist letztendlich ein natürlicher Vorgang. Man lässt das Getreide keimen, damit sich Stärke in Zucker verwandeln. Den kann man nämlich im Gegensatz zu Stärke zu Alkohol vergären. Auch beim Gären braucht man nicht zu wissen, wie es genau funktioniert. Die Arbeit wird nämlich von Hefepilzen verrichtet. Was der Mensch dabei machen muss, ist so einfach, dass sich die Leute schon seit Jahrtausenden alkoholische Getränke machen können.

In der modernen chemischen Industrie lässt man teilweise sehr ausgeklügelte chemische Reaktionen ablaufen, um ganz bestimmte Stoffe zu erhalten. Mittlerweile weiß man so viel über Chemie, dass man Stoffe sozusagen designen kann, die ganz bestimmte Eigenschaften haben sollen. Und natürlich ist der Kohlenstoff mit seinen vielfältigen Reaktionsmöglichkeiten hier ein dankbares Objekt.

Kohlenstoff und natürliche Werkstoffe

Einige natürliche Werkstoffe sind mineralisch wie Steine und Keramik. Außerdem gibt es jede Menge metallische Werkstoffe, die man, wenn man so will, auch zu den natürlichen Werkstoffen rechnen kann. Was wir aber landläufig als natürliche Materialien betrachten, pflanzliche und tierische also, beruht auf dem Kohlenstoff.

CO2 - Wald
Im Wald: Aus CO2 und Wasser entsteht hier mit Hilfe von Sonnenenergie ein…(Bild: Autor)

Bei pflanzlichen Werkstoffen spielt die Cellulose eine große Rolle. Pflanzliche Textilwerkstoffe bestehen aus Cellulose: Baumwolle, Leinen und Hanf sind die bekanntesten. Holz besteht ebenfalls aus Cellulose. Die zugfesten Cellulosefasern bilden hier mit dem harten Lignin eine Art Verbundwerkstoff, der fantastische Eigenschaften hat. Was die Wechselbiegefestigkeit und das Verhältnis Gewicht/Tragfähigkeit betrifft, ist Holz unerreicht.

Tierische Werkstoffe beruhen auf Eiweißen. Wolle, also Tierhaare, und Seide eignen sich hervorragend als Rohstoff für Textilien. Auch Leder ist ein wertvolles Material, nicht nur für Bekleidung und Schuhe. Horn, Knochen und Fischbein spielen heute nur mehr eine geringe Rolle. Sie wurden größtenteils durch Kunststoffe, teilweise auch durch Metalle, ersetzt – also wieder durch Kohlenstoffverbindungen.

Kohlenstoff und organische Chemie

Die organische Chemie darf man nicht mit der Biochemie verwechseln. Auch wenn letztere auch mit Kohlenstoff zu tun hat. Unter der organischen Chemie versteht man die Kohlenstoff-Chemie. Die ganze chemische Industrie, soweit sie (früher) mit Kohle und (heute) mit Erdöl als Rohstoff arbeitet, befasst sich mit organische Chemie.

Kohlenstoff - Werkstoff Holz
… vielseitiger und unverwüstlicher Werkstoff … (Bild: Autor)

Heute ist der wichtigste Rohstoff der chemischen Industrie das Erdöl. Aus ihm entstehen nicht nur Treib- und Schmierstoffe, sondern eine unübersehbare Vielzahl von anderen Produkten. Kunststoffe gehören hierher, aber auch Medikamente, Kosmetika, Textilien, Baustoffe sowie Lacke und Farben.

Grundlage dafür sind die einfachen und komplexeren Kohlenwasserstoffe, die im Erdöl enthalten sind. Sie lassen sich nicht nur aus dem Erdöl extrahieren, sondern auch in vielfältiger Weise sozusagen umbauen. Die Kohlenstoffchemie ist sozusagen ein Baukasten, aus dem die riesige Vielfalt natürlicher und künstlicher Kohlenstoff-Verbindungen entsteht.

Erdöl ersetzen?

Das meiste Erdöl verwenden wir, um dessen chemische Energie zu nutzen. Vor allem für Bewegung, aber auch für Wärme und elektrischen Strom. Da sich Energieformen in einander umwandeln lassen, können sie einander auch ersetzen. Vor allem, was die Bewegung angeht, lässt sich Erdöl durch elektrischen Strom ersetzen: Elektromotoren statt Verbrennungsmotoren. Wir verwenden nun einen großen Teil unseres Erdöls zum Fahren. Daher könnten wir sehr viel Erdöl sparen, wenn wir elektrisch anstatt mit Verbrennungsmotoren fahren würden.

Theoretisch. Was die Praxis angeht: Es denke ein jeder mal darüber nach, wie viel Nummernschilder mit einem „E“ er heute im Straßenverkehr gesehen hat. Die Leute mögen das Elektroauto nicht – und das hat seine Gründe.

Werkstoff Holz
… mit phantastischen Eigenschaften… (Bild: Autor)

Nehmen wir einmal an, es würde eine bahnbrechende Erfindung hinsichtlich der Speicherung von elektrischen Strom gemacht. Elektroautos könnten so schnell geladen werden wie ein Benziner betankt wird und kämen mit einer Ladung auch soweit wie ein Auto mit Verbrennungsmotor mit einer Tankfüllung. Dann könnten wir alle Kraftfahrzeuge problemlos elektrifizieren. Und weil das Elektroauto genauso praktisch wäre wie eines mit Verbrennungsmotor, würden es die Leute auch kaufen.

Bei den anderen energetischen Verwendungen lässt sich Erdöl meist ebenfalls relativ problemlos durch elektrischen Strom ersetzen. Zumindest theoretisch ließe sich in diesen Bereichen das Erdöl durch Energie aus erneuerbaren Quellen ersetzen. Mit der gedachten bahnbrechenden Erfindung hinsichtlich der Speichertechnologie für elektrischen Strom wäre ja auch das leidige Problem mit den volatilen Energiequellen Wind und Sonne gelöst.

Dann könnten wir etwa sieben Achtel, eventuell auch neun Zehntel des Erdöls einsparen. Aus dem Rest werden all die Dinge gemacht, die weiter oben erwähnt wurden. Ohne Erdöl wüssten wir dann immer noch nicht, wo wir all diese Dinge, für die der Kohlenstoff aus dem Erdöl entscheidend ist, herbekommen würden.

Künstliche Kohlenstoff-Verbindungen

Nun ist die tolle Speichermöglichkeit für Strom, die ich angedacht habe, nicht in Sicht. Nach allem was wir wissen ist die Speicherung von elektrischer Energie an die Masse gebunden. Mit anderen Worten: Was viel Strom speichern kann, muss groß und schwer sein.

… und was man nicht verbauen kann, kann man allemal noch verheizen. (Bild: Autor)

Allerdings bietet uns der Kohlenstoff hier einen anderen Weg. Ähnlich, wie sich die Kohlenwasserstoffe aus Kohle und Erdöl zerlegen und umbauen lassen, kann man sie auch von Grund auf synthetisch zusammenschrauben. Methan ist der einfachste Kohlenwasserstoff. Und es ist auch am einfachsten synthetisch herzustellen. Das funktioniert schon seit weit über 100 Jahren.

Methan ist nun der Hauptinhaltsstoff von Erdgas. Man kann also mithilfe von elektrischen Strom künstliches Erdgas herstellen: Power to Gas. Im Gegensatz zu Wasserstoff gibt es da keine Probleme mit dem Erdgasnetz. Man kann dieses künstliche Erdgas also im Erdgasnetz speichern und bei Bedarf wieder verstromen. Damit löst man das Speicherproblem des Stroms aus Wind und Sonne.

Auch kompliziertere Kohlenwasserstoffe kann man aus CO2 und Wasser zusammenbauen. So kann man nicht nur das Erdöl ersetzen, das man für Treib- und Schmierstoffe benötigt, sondern auch das, welches die chemische und die pharmazeutische Industrie als Rohstoff benötigen. Die Energie dafür liefern Wind und Sonne.

Sonnige Länder sind Energieländer

Den Strom für die Synthese von Kohlenwasserstoffen kann man dort erzeugen, wo Sonnenstrom bestens funktioniert: in Wüstengebieten. Im Wüstengürtel unserer Erde ist die Sonneneinstrahlung so stark, dass man keine Solarzellen, also keine Fotovoltaik benötigt. Hier funktionieren thermische Solarkraftwerke wunderbar.

Kohlenstoff - Power to Gas
Die Gasanstalt der Zukunft: in dieser kleinen Versuchsanlage wird mit Hilfe von Strom Methan erzeugt, also „künstliches Erdgas“. Das – und nicht Wasserstoff – wird vermutlich die Technik sein, die das Problem der volatilen regenerativen Energiequellen Wind und Sonne löst. Offenbar geht es nicht ohne Kohlenstorr, wenn man einifgermaßen vernünftig Energie speichern will (Bild: Manuel Gruber/Lizenz CC Attribution-Share Alike 4.0 International)

Vermutlich werden künstliche Kohlenwasserstoffe auch die Zukunft der Erdölstaaten am Golf sein. Die brauchen nämlich nicht nur etwas für die Zeit nach dem Öl, sondern haben außer genug Sonne auch das Geld für die nötigen Investitionen. Die flüssigen und gasförmigen Kohlenwasserstoffe können von dort außerdem mit der bereits vorhandenen Technik – Tanker, Pipelines – an die Märkte gelangen.

Aber auch andere Staaten mit entsprechend sonnigen Gegenden können hier eine neue Einnahmequelle finden. Ein wichtiger Vorteil der künstlichen Kohlenstoff-Verbindungen besteht darin, dass hier bereits vorhandene und funktionierende Technik weiter genutzt werden kann. Vom Verbrennungsmotor bis zur pharmazeutischen Produktionsanlage, vom Gaskraftwerk bis zur Pipeline.

Mehr über Kohlenwasserstoffe an sich und deren künstliche Herstellung findet sich in den beiden einschlägigen Artikeln auf Fokkos Bikeblog.