Ein Schritt zurück in die Zeiten des Stadtgases

Nach dem nun infolge des Krieges in der Ukraine Erdgas zwar nicht knapp, aber schweineteuer geworden ist, brennt unserer Regierung gewaltig der Kittel. Nicht nur, dass unsere Industrie damit beginnt, abzuwandern. Auch der Bürger beginnt zu murren und gar mancher könnte Umfragen zufolge sein Wahlverhalten in eine Richtung ändern, die man lieber nicht haben möchte. Strom kommt ja, wenn schon mal nicht aus Wind- und Sonnenkraftwerken, so doch gewissermaßen aus der Steckdose: Man kann ihn ja durchaus auch aus Nachbarländern importieren, die ihre Atom-und Kohlekraftwerke nicht abgeschaltet haben bzw. abschalten wollen. Aber wo kriegen wir das Gas her, das ja schließlich auch ein wichtiger Bestandteil unserer Energieversorgung ist? Ist Wasserstoff statt Erdgas die Lösung?

Wenn es nach den Träumereien von Politikern gibt, die ganz offensichtlich keinerlei Ahnung von Physik, Chemie und erst recht nicht von Technik haben, ist ja alles ganz einfach: Wir machen grünen Strom aus Wind und Sonne und damit dann Wasserstoff, welcher das Erdgas in unseren Gasrohren ersetzen soll. Klingt gut, was? Zumal der böse Onkel Waldemar in Moskau immer noch seine Kriegskasse auch mithilfe unserer Gasrechnungen füllt. Auf Umwegen gelangt nämlich russisches Erdgas doch wieder nach Deutschland. An diesem Umwegen verdienen natürlich noch allerhand Leute mit. Daher ist das Gas eben nicht knapp, sondern lediglich unverschämt teuer.

Gaszähler - Wasserstoff statt Erdgas
Sorgenvoll blickt man derzeit auf den Gasszähler. Aber mit Wasserstoff statt Erdgas wird es wohl kaum billiger werden… (Bild: Uriel Shuraki /Lizenz: Pixabay)

Eine Bombenidee also, böses Erdgas durch lieben Wasserstoff zu ersetzen – nicht wahr? Dummerweise sind aber an dieser Geschichte einige Haken. Um die zu verstehen, müssen wir uns allerdings die diversen brennbaren Gase, um die es hier geht, ein wenig näher ansehen.

Eigentlich müsste es das doch schon lange geben…

Wenn wir es uns so richtig überlegen, müsste, könnte und sollte es Elektro- und Wasserstoffautos schon seit einem halben Jahrhundert geben. Wasserstoff in unseren Gasleitungen erst recht. Klingt komisch, ist aber so: Die Problematik mit den fossilen Brennstoffen gibt es nämlich schon lange. Nicht erst, seitdem die Pflanzennahrung CO2, von der in jeden Kubikmeter Luft etwa zwei Schnapsgläser voll enthalten sind, Giftgasstatus erhalten und als Klimakiller ausgemacht wurde. Über das böse CO2 mag man ja streiten können. Fakt jedoch ist, dass die Verbrennung von fossilen Energieträgern jede Menge tatsächlich üblen Dreck macht. Daher wollte man schon länger nicht ungern weg davon.

Ein dem heutigen Wind- und Sonnen-Hype sehr ähnliches Heilsversprechen wurde nun schon vor etwa einem Menschenalter gemacht: Atomkraft sollte alle energetischen Probleme lösen. So unglaublich es heute klingt – es wurde ernsthaft prognostiziert, dass man mit Kernkraft so viel und so billiger Strom erzeugen werde, dass dieser für private Haushalte kostenlos werden würde. Eventuell, so dachte man, würde man die privaten Abnehmer sogar noch für den Verbrauch von Atomstrom bezahlen. Wer sich noch daran erinnert, dass in einem Werbespot der Elektrizitätswirtschaft seinerzeit die Tatsache, dass sich der Stromverbrauch alle zehn Jahre verdoppele als eher positiv dargestellt wurde, erinnert sich vielleicht auch noch an die feuchten Träume vom Atomstrom.

Was in der Realität daraus wurde, das weiß heute natürlich jeder…

Wasserstoff statt Erdgas bereits 1970?

Thermische Kraftwerke, die mit fossilen Brennstoffen beheizt werden, hätten demnach dank der Atomkraft vollständig verschwinden können. Es hätte dann auch Wasserstoff statt Erdgas sein können, der das damals noch verwendete Stadtgas in den Gasrohren ersetzt hätte Natürlich dachte man damals auch daran, mit dem Atomstrom Benzin und Dieselöl zu ersetzen. Die Idee des Elektroautos stammt ja nicht von Robbie und Anna Lena, genauso wenig wie von Angie. Bereits seit Daimlers und Benzens Zeiten taucht es immer wieder einmal auf, verschwindet aber auch wieder. Es war übrigens durchaus einmal recht erfolgreich. Der alltagstaugliche elektrischen Anlasser für Verbrennungsmotoren brach ihm aber bereits vor über 100 Jahren das Genick.

Erdgasbrenner mit Wasserkessel
Erdgas kommt als sauberer, ungiftiger Brennstoff fast so einfach wie elektrischer Strom ins Haus (Foto von Magda Ehlers)

Natürlich gab es von jeher schon die Problematik mit den Batterien. Sie waren auch der Grund dafür, dass das Elektroauto in den letzten 100 Jahren keine Chance mehr hatte, auch wenn man es immer wieder mal zu reanimieren versuchte. Heute schleppt es sich als politikgestützter Zombie durch die Medien. Und vereinzelt auch über unsere Straßen. Aber auch zu Zeiten des Kernkraft-Hypes dachte man mal wieder das schon länger bekannte Wasserstoffauto an. Ist ja eigentlich auch ganz einfach: Per Elektrolyse kann man mit elektrischen Strom kinderleicht Wasserstoff aus ganz gewöhnlichem Wasser erzeugen. Den mixt man dann im Ansaugtrakt eines Automotors anstelle von Benzin mit der Ansaugluft und schon brummt das Wasserstoffauto.

Es gibt da das eine oder andere Problemchen…

Es gibt nur drei Haken: Wasserstoff eignet sich nicht besonders als Kraftstoff für Verbrennungsmotoren, denn er brennt den Schmierfilm von der Zylinderwandung. Außerdem hat er eine geringe Energiedichte und muss irrsinnig komprimiert werden, wenn genug davon in einem Autotank untergebracht werden soll. Und schließlich ist das Wasserstoffmolekül so klein, dass es zwischen den Eisen- und Kohlenstoffatomen einer stählernen Behälterwandung hindurch krabbeln und sich so recht fix aus der Gefangenschaft verabschieden kann.

Wasserstoff ist ein mickriges, kleines Molekül, das überall hindurchkrabbelt und das man nur mit viel technischem Aufwand in einen Behälter sperren kann

Das Problem mit dem Verbrennungsmotor kann man umgehen, wenn man mit dem Wasserstoff in einer Brennstoffzelle elektrischen Strom für einen Elektroantrieb erzeugt. Wäre toll, wenn das problemlos funktionieren würde, denn der Elektroantrieb an sich, ist dem Verbrennungsmotor als Fahrzeugantrieb haushoch überlegen. Allerdings ist eine Brennstoffzelle für ein Auto schwer und teuer. Und es bleiben da auch noch die beiden anderen Probleme.

An diesen Problemen wird – mit viel Steuergeld natürlich – seit Jahrzehnten mehr oder weniger erfolglos herumgeforscht. Vermutlich wollen die damit befassten Unternehmen auch nicht gerne all die Kosten und Mühen in die Tonne treten, die sie in die Wasserstoffforschung gesteckt haben. Das müssten sie nämlich, wenn sie ganz einfach vernünftig so wären, auf Methan statt auf Wasserstoff zu setzen, was fast genauso einfach herzustellen ist, und überdies tatsächlich funktioniert.

Wasserstoff statt Erdgas – Hatten wir das nicht schon mal?

Wasserstoff als Energieträger ist gar nicht so neu, wie der Laie vermutlich denkt. Wer schon länger jung ist wie ich etwa, erinnert sich eventuell noch an die Zeiten des Stadtgases. Weil es zunächst speziell zu Beleuchtungszwecken verwendet wurde, hieß es auch Leuchtgas. Es wurde lokal in städtischen Gaswerken – „Gasanstalten“ – erzeugt und zwar durch trockene Destillation von Steinkohle. In einem Gasbehälter – auch als Gasometer bezeichnet – wurde es dann zwischengespeichert. Zu den Haushalten und sonstigen Verbrauchern gelangte es, wie heute das Erdgas, über das Gasrohrleitungsnetz.

Wasserstoff statt Erdgas - Gasanstalt in alten Zeiten
So eine zünftige Gasanstalt mit Schlot und Gasometer gehörte früher zu jeder ordentlichen Stadt (Bild: Historisch)

Dieses alte Leuchtgas bestand etwa zur Hälfte aus Wasserstoff. Zum Beispiel bestand das Gas aus dem Wiener Gaswerk Simmering zu 51 % aus Wasserstoff, zu 21 % aus Methan, zu 15 % aus Stickstoff und zu 9 % aus Kohlenmonoxid. Bis auf den Stickstoff sind das lauter brennbare Gase. Der Anteil an Kohlenmonoxid reicht aus, um das Stadtgas zu einem tödlichen Giftgas zu machen. Das „den Gashahns aufdrehen“ war auch eine gängige Selbstmordmethode.

Der Wasserstoffanteil machte jedoch offensichtlich keine oder nur wenig Probleme im Hinblick auf das Entschleichen des Wasserstoffs durch die Rohrwandungen aus Stahl oder Gusseisen. Vermutlich lag das daran, dass das Gasnetz mit einem ziemlich geringen Druck arbeitet. Bei stationären Gasnetzen benötigt man keinen hohen Druck, da man ja Rohre mit einem großen Querschnitt verwenden kann, durch die auch bei geringem Druck genug Gas fließt.

So gesehen verwundert es also nicht, dass ein Wasserstoffanteil von etwa 50 % im Gasnetz verhältnismäßig problemlos möglich ist. Das haben Untersuchungen ergeben, aber, wie gesagt, man hätte es sich fast sparen können, das eigentlich von vornherein hätte klar sein müssen. Schließlich konnte man ja Gas mit einem solchen Anteil an Wasserstoff auch früher mit den üblichen Gasrohren aus Stahl oder Grauguss handhaben.

Die Sache mit dem Heizwert

Wo es am ehesten Probleme mit Wasserstoff statt Erdgas geben könnte, ist bei der Kapazität der Leitungen. Erdgas hat einen sehr hohen Heizwert. Der ist etwa doppelt so hoch wie der von Stadtgas. Bei der Umstellung von Stadtgas auf Erdgas war das kein Problem, denn es musste für die gleiche Energiemenge weniger Erdgas durch die Leitung als Stadtgas. Umgekehrt könnte es aber sein, dass Leitungen, die für Erdgas bemessen worden, nicht genug von dem mit Wasserstoff „verdünnten“ Gas transportieren können, um genug Energie zu liefern.

Wasserstoff statt Erdgas - Altes Gaswerk
So funktionierte die Gasherstellung in den Days of Auld: Unter der Retorte ganz rechts wurde ein kräftiges Feuerchen gemacht und die Kohle darin sozusagen gebraten, was sich trockene Destillation nennt. Dabei gab sie verschiedene Gase, darunter ein großer Anteil Wasserstoff, ab. Dieses Gasgemisch ergab das Stadt- oder Leuchtgas, dass über diverse Reinigungseinrichtungen in den Gasometer ganz links strömte. (Bild: Historisch)

Erdgas besteht zu mindestens drei Vierteln aus Methan und kann auch fast reines Methan sein. Wenn nennenswert was anderes drin ist als Methan, sind das Gase, die einen noch höheren Heizwert haben als Methan, zum Beispiel Propan oder Butan. Ein Gemisch aus Erdgas und Wasserstoff hat also logischerweise immer einen geringeren Heizwert als reines Erdgas.

Die Rolle der Dichte bei Wasserstoff statt Erdgas

Was ist nun die Folge, wenn man Wasserstoff statt Erdgas verwendet? Nun, der Heizwert des Mischgases ist natürlich auf jeden Fall geringer als der von reinem Erdgas. Als Mittelwert kann man hier von roundabout 6 kWh/Kilogramm ausgehen, wobei es bei Stadtgas knappe 5 kWh/Kilogramm sind.

Eine Rolle spielt hier aber auch noch die Dichte der jeweiligen Gase. Wasserstoff zum Beispiel hat pro Kilogramm noch nicht einmal einen gar so schlechten Heizwert. Da Wasserstoff aber sehr leicht ist, nimmt 1 kg Wasserstoff einen sehr großen Raum ein. Wenn man nun den Heizwert eines Kubikmeters Wasserstoff betrachtet, ist dieser daher lächerlich gering. Deswegen muss man Wasserstoff ja auch so irrsinnig komprimieren, um davon in einem Auto genug für eine brauchbare Reichweite mitführen zu können.

Das Gemisch von Wasserstoff und Erdgas wäre mit etwa 0,4 kg/Kubikmeter etwas leichter als Stadtgas. Da nun aber der Heizwert pro Kilogramm bei diesem Gemisch etwas höher ist als bei Stadtgas, könnte man mit etwa dem gleichen Druck arbeiten wie beim Stadtgas. Letztendlich würde dann Wasserstoff statt Erdgas bedeuten, dass eine bestimmte Gasleitung in etwa genauso viel Energie transportieren kann wie sie das mit Stadtgas könnte.

Wasserstoff statt Erdgas – Und was ist mit den Gasgeräten?

Gasgeräte sind immer für eine besondere Gasart eingerichtet. Natürlich kann man moderne Gasbrenner für verschiedene Gasarten umstellen. Als im letzten Drittel des letzten Jahrhunderts Stadtgas durch Erdgas ersetzt wurde, wurden ältere Geräte ersetzt und neuere Geräte umgestellt. Würden wir heute zum Teil Wasserstoff statt Erdgas verwenden, müssten natürlich die Gasgeräte ebenfalls umgestellt, eventuell sogar ersetzt werden. Seinerzeit lief die Umstellung von Stadtgas auf Erdgas wohl recht problemlos. Bei mir zu Hause und in den anderen Wohnungen bei uns im Haus zum Beispiel gab es jeweils einen neuen Gasherd und einen neuen Durchlauferhitzer.

Soweit ich das herausfinden konnte, wurde dem Stadtgas zunächst ein immer größerer Anteil von Erdgas beigemischt. Dadurch entstand wohl so eine Art Karenzzeitraum, in dem man die Geräte umstellen konnte. Vermutlich könnte man das bei der Umstellung Wasserstoff statt Erdgas heute auch wieder so machen.

Volumen bleibt Volumen bei Wasserstoff statt Erdgas

Die Gasuhren wären noch nicht einmal von einer Umstellung betroffen. Sie messen nämlich das entnommene Volumen. Über den Heizwert des gelieferten Gases und dessen Dichte – wobei natürlich der Druck in der Leitung eine Rolle spielt – kann der Energieversorger dann berechnen, wie viel Energie mit dem gelieferten Volumen Gas verbraucht wurde. Mit dem Preis pro Kilowattstunde multipliziert ergibt das dann den Preis des verbrauchten Gases.

Die Umstellung Wasserstoff statt Erdgas wäre also im Prinzip genauso machbar wie seinerzeit die von Stadtgas auf Erdgas. Es gibt da aber noch ein anderes Problem. An das denken unsere Politiker offenbar gar nicht. Letztendlich wollen wir ja doch ganz weg vom Erdgas, da dies ein fossiler Energieträger ist und bitterböses CO2 in die Luft pustet.

Wie man an den Medien erfahren kann, funktioniert Wasserstoff statt Erdgas ja sehr schön mit 50 % Wasserstoff. Wie aber ist das mit 100 % Wasserstoff? Und genau dahin muss man kommen, wenn man das böse CO2 vermeiden will. Man musste ja schon untersuchen, ob es mit 50 % Wasserstoff funktioniert. Daher kann man getrost davon ausgehen, dass es eben mit 100 % Wasserstoff nicht so wirklich ohne weiteres funktioniert.

Und außerdem…

Nun, gibt es, was den Wasserstoff als „sauberen“ Energieträger betrifft, ein klitzekleines Problemchen. Das man in grünen Traumtänzerkreisen wohl nicht kennt – oder bewusst ignoriert. Wasserstoff wird auf unserem Planeten schon lange im großen Stil gewonnen. Man braucht ihn nämlich für allerhand technische Zwecke. Nur ist der allermeiste Wasserstoff, der für Wasserstoff statt Erdgas zur Verfügung steht, alles andere als grün.

Gasherd, Erdgas
Weil das mit Wasserstoff verdünnte Erdgas einen geringeren Heizwert hat als reines Erdgas, müssen Gasgeräte wie Herde oder Heizkesselbrenner umgestellt oder gar ausgetauscht werden (Foto von Curtis Adams)

Wirklich grün kann Wasserstoff nur sein, wenn man ihn mit Strom auf dem Wege der Elektrolyse von Wasser gewinnet. Dazu muss nun aber auch der verwendet Strom grün sein. Das ist er aber auch bei uns noch lange nicht. Also macht man den „grünen“ Wasserstoff statt Erdgas mit ungrünem Strom. So wie die „grünen“ Elektroautos ja auch überwiegend mit Atom- oder CO2-Giftgas-Strom fahren.

Und diesen Strom kaufen wir auch noch großenteils von schlimmen Klima-Bösewichten: Nämlich aus Nachbarstaaten, die ihre Kohle- und Atomkraftwerke noch nicht abgeschaltet haben. Weil sie nämlich damit lieber warten, bis tatsächlich tragfähige Alternativen da sind.

Wenn bei der Herstellung von Wasserstoff weder CO2 noch Dreck entstehen soll, muss man es mit Strom machen. Aber der kommt heute noch überwiegend aus Kohle-…. (Bild: Monika/Lizenz: Pixabay)

Methan statt Erdgas ist besser als Wasserstoff statt Erdgas

Es ist ja schon faszinierend und schlecht nachvollziehbar, dass immer noch so viele dieses tote Pferd namens Wasserstoff reiten. Von einem Politiker, zumindest nicht von denen, die in unserer Regierung für sowas zuständig sind, kann man nicht viel erwarten. Auch nicht, dass er oder sie weiß, um was es beim Sabatierprozess geht. Aber jeden Menschen mit einem gewissen technischen Verständnis, muss klar sein, dass man mit diesem Verfahren nicht nur das Problem der volatilen Energiequellen Wind und Sonne lösen, sondern auch Erdgas ersetzen kann.

Im Sabatierprozess entstehen aus Wasserstoff und CO2 Methan und Wasser. Den Wasserstoff kann man durch Elektrolyse mithilfe von Wind- oder Sonnenstrom gewinnen. Das CO2 kann man aus der Luft entnehmen. Dann ist diese Technik CO2-neutral. Das CO2, dass bei der Verbrennung des Methans entsteht und in die Atmosphäre kommt, stammt ja von dort. Es kehrt also lediglich zurück.

CO2 sparen

Wenn man tatsächlich anfängt, CO2 aus den Abgasen von Anlagen herauszuziehen, die noch fossile Energieträger verwenden, kann man dieses ebenfalls verwenden. Dann nutzt man den CO2-Ausstoß dieser Feuerungsanlagen gewissermaßen zweimal. Wenn man das Methan in Gaskraftwerken rückverstromt, kann man das CO2 auch aus den Abgasen des Gasmotors zurückgewinnen.

Weiter oben ist der bereits klar geworden, dass Erdgas überwiegend und bis zu 99 % aus Methan besteht. Es lässt sich also eins zu eins durch Methan aus dem Sabatierprozess ersetzen. Das bedeutet aber auch dass man überschüssigen Wind- und Sonnenstrom in Form von Methan speichern kann. Und zwar in den Speicherkapazitäten des bereits vorhandenen Erdgasnetzes.

Wenn Fans von Wasserstoff statt Erdgas überhaupt kapieren, um was es beim Sabatierprozess geht, nörgeln sie am etwas dürftigen Wirkungsgrad dieser Technologie herum. Mag nun der Sabatierprozess auch nur einen Wirkungsgrad von 60 % haben. Aber immerhin nutzen wir damit 60 % der elektrischen Energie, die uns entgeht, wenn Wind- und/oder Sonnenkraftwerke Strom liefern könnten, den gerade aber keiner braucht. Und können ihn dann nutzen, wenn die gefürchtete Dunkelflaute herrscht.

Wo soll der Strom herkommen?

Wer sich das mal ein wenig genauer anschaut, wird feststellen dass wir um einiges mehr Energie in Form von Erdgas verbrauchen als in Form von elektrischen Strom. Vermutlich schaffen wir es, unseren Strombedarf aus heimischen regenerativen Energiequellen zu decken. Dummerweise bleibt dann aber nichts oder nicht viel übrig, um damit das echte Erdgas durch künstliches zu ersetzen. Schon gar nicht für synthetische Kraftstoffe. Das bedeutet aber schlimmstenfalls, dass wir mithilfe der regenerativen Energiequellen nicht energieautark werden können. Was wir jetzt ja auch nicht sind.

… oder gar Atomkraftwerken. (Bild: Markus Distelrath/Lizenz: Pixabay)

Methan jedoch kann man im Gegensatz zu elektrischen Strom nicht nur aufspeichern. Man kann es auch ohne größere Schwierigkeiten über weite Strecken transportieren. Künstliches Erdgas, im Sabatierprozess erzeugtes Methan also, können wir genauso wie echtes Erdgas zur Not mit Flüssiggastankern um den halben Erdball transportieren. Schließlich soll das ja wunderbar auch mit diesem unsäglichen Fracking-Erdgas aus den USA funktionieren. Natürlich funktionieren auch sämtliche Pipelines für Erdgas mit künstlich erzeugten Methan. So wie natürlich auch alle Tanker mit denen wir flüssige Kohlenwasserstoffe aus Erdöl – Benzin und Diesel – transportieren, auch mit synthetischen Kraftstoffen funktionieren. Für die entsprechenden Pipelines gilt natürlich dasselbe.

Sonnenscheichs statt Ölscheichs ist besser als Wasserstoff statt Erdgas

Ein schlechter Wirkungsgrad spielt nur eine Rolle, wenn der jeweilige Energieträger knapp und daher teuer ist. In sonnenreichen Regionen der Erde, speziell in ihrem Wüstengürtel, kann man Sonnenstrom spottbillig und in riesigen Mengen erzeugen. Wenn wir die Produktionsstätten für Methan und flüssige Kohlenwasserstoffe in diesen Gegenden bauen, werden diese Produkte wesentlich preisgünstiger, als dies heute erscheint. Und sie lassen sich mit unseren vorhandenen Technologien von dort zu den Abnahmemärkten transportieren.

Es gibt auch einen zusätzlichen Bonus: Wasserstoff statt Erdgas löst genauso wenig wie das Elektroauto das Problem, dass die chemische Industrie bekommt, wenn kein Erdöl mehr gefördert wird. Es lassen sich aber auch diejenigen Kohlenwasserstoffe mithilfe von elektrischem Strom erzeugen, welche die chemische Industrie braucht.

Nicht wenig Erdöl stammt aus Wüstengebieten, vor allem aus Arabien. Dort gibt es aber auch genug Sonne. Die Produktion von Kohlenwasserstoffen mit elektrischen Strom wäre eine Lösung für die dortigen Erdölländer für die Zeit nach dem Öl. Und natürlich auch für die Ölkonzerne. Hier wie dort gibt es auch das Geld, um in solche Anlagen zu investieren.