Stromschlag und Zündfunken
Die elektromagnetische Induktion ist eine physikalische Erscheinung, die in der Elektrotechnik eine wichtige Rolle spielt. Nicht nur die Zündanlagen von Autos und Motorrädern beruhen auf ihr: Mit der Ausnahme der Fotovoltaik funktioniert praktisch unsere ganze Stromerzeugung mit elektromagnetischer Induktion.
Elektromagnetische Induktion: Die Beziehung zwischen Elektrizität und Magnetismus
Magnetismus und elektrischer Strom haben sehr viel miteinander zu tun. Magnetismus kennt man von Permanentmagneten her, die auch in unserer Alltagswelt eine Rolle spielen. Da gibt es nicht nur das Angelspiel für Kinder, bei dem man Fische aus Papier mit einer Büroklammer versieht und mit einem kleinen Magneten an einer Angel fängt. Mit Kühlschrankmagneten heften wir Notizzettel an die Kühlschranktür oder an eine Pinnwand aus Stahlblech. Magnetverschlüsse an Möbeltüren sind einfacher aufgebaut als mechanische Verschlüsse, die einrasten. Arbeitsleuchten mit Magnethalter sind beim Schrauben am Auto oder am Motorrad sehr hilfreich.
Magnetismus entsteht aber auch durch elektrischen Strom. Jeder elektrische Leiter, der von einem Strom durchflossen wird, ist von einem Magnetfeld umgeben. Wickelt man den Leiter zu einer Spule auf, richtet man die Feldlinien des runden Magnetfelds so aus, dass ein Nordpol und ein Südpol entstehen: Das nennt man Elektromagnet.
Umgekehrt kann man aber auch mit einem Magnetfeld elektrischen Strom erzeugen. Das Magnetfeld muss sich dabei aber bewegen. Bewegt man einen Magneten in einer Spule hin und her, kann man mit einem Messinstrument Spannungsstöße zwischen den Anschlüssen der Spule feststellen. Das erzeugen eines elektrischen Stromes durch ein bewegtes Magnetfeld nennt sich nun elektromagnetische Induktion.
Dynamo und Türklingel
Ein einfaches Beispiel für die Anwendung dieser Erscheinung ist der Fahrraddynamo: Hier dreht sich ein Permanentmagnet und erzeugt in der Wicklung des Dynamos einen Wechselstrom. Auch die Lichtmaschinen von Mopeds und die vieler Motorräder funktionieren so. Autolichtmaschinen und Generatoren für Stromnetze im Prinzip ebenfalls, nur wird hier das Magnetfeld von Elektromagneten erzeugt. Dadurch kann die Leistung so eines Stromerzeugers gut geregelt werden.
Eine elektromechanische Türklingel ist ein so genannter Wagnerscher Hammer: wenn man auf den Klingelknopf drückt, fließt Strom durch einen Elektromagneten. Der zieht nun den Klöppel der Klingel an und es macht Ping. Der Klöppel haut aber nicht nur gegen die Glocke, sondern ist gleichzeitig ein Schalter, der den Strom durch den Elektromagneten unterbricht. Dadurch fällt das Magnetfeld in sich zusammen und der Elektromagnet lässt den Klöppel los. Der federt zurück und schließt den Stromkreis dadurch wieder, wodurch das Ganze von vorne losgeht.
So eine Türklingel arbeitet nun mit einer Kleinspannung von zum Beispiel 8 V, die an sich weder gefährlich ist noch einen schmerzhaften Stromschlag verursachen kann. Und trotzdem kann eine Türklingel ganz schön Aua machen. Wenn der Strom durch den Elektromagneten fließt, baut sich das Magnetfeld auf, welches den Klöppel anzieht. Dabei verrichtet der Strom Arbeit, die in dem Magnetfeld gespeichert wird.
Wenn nun der Strom vom angezogenen Klöppel unterbrochen wird, bricht das Magnetfeld des Elektromagneten sozusagen schlagartig in sich zusammen. Der Knackpunkt dabei ist, dass auch ein sich in der Stärke änderndes Magnetfeld ein bewegtes Magnetfeld ist. Und deswegen erzeugt dieses zusammenbrechende Magnetfeld einen Stromstoß in der Wicklung des Elektromagneten.
Fiese elektromagnetische Induktion: Foltern mit der Türklingel
Dieser Stromstoß kann recht kräftig ausfallen, weil hier die ganze Energie, die in dem Magnetfeld gespeichert ist, in einer sehr kleinen Zeit umgesetzt wird. Wenn so ein Wagnerscher Hammer keinen Löschkondensator besitzt, der diesen Stromstoß aufnimmt, kann man an den Kontakten daher einen kräftigen Funken beobachten. Die beim Zusammenbrechen des Magnetfelds entstehende Spannung kann nämlich um einiges höher sein, als die kleine Betriebsspannung der Klingel. Da aber die Energiemenge, die hier umgesetzt wird, recht klein ist, ist das nicht wirklich gefährlich.
Man kann den Stromstoß auch benutzen, um jemanden zu elektrisieren. Es gab einmal vorgetäuschte Zigarettenschachteln als Scherzartikel zu kaufen, die einen solchen Wagnerschen Hammer als Elektrisierapparat enthielten. Wollte man so eine vermeintliche Kippenschachtel öffnen, berührte man dabei mit dem Daumen und Zeigefinger je einen Kontakt. Zog man dann, schaltete man den wagnerschen Hammer ein und wurde kräftig elektrisiert. Mit so einem Wagnerschen Hammer könnten Bösewichte (m/w/d) also die elektromagnetische Induktion zum Foltern anderer benutzen.
Herr Honold und die elektromagnetische Induktion
Mithilfe dieses Effekts gelangte man vor über 100 Jahren einen guten Schritt hin zum wirklich alltagstauglichen Automobil. Ein gewisser Gottlob Honold (1876 – 1923) hatte bei Robert Bosch (1861 – 1942) zunächst eine Lehre gemacht und sich dann zum Ingenieur weitergebildet. Danach arbeitete er wieder bei Bosch und nutzte die elektromagnetische Induktion, um einen Zündfunken für den Ottomotor zu erzeugen: Es gab bereits die Niederspannungsmagnetzündung, die bei Bosch verbessert und gebaut wurde. Der Strom wurde dabei aber nicht von außen zugeführt, sondern von einem Permanentmagneten erzeugt, in dem die Spule rotierte.
Das funktioniert schon mal ganz gut, aber der gute Herr Honold war noch nicht zufrieden. Die Spannung, die beim Zusammenbruch des Magnetfelds entsteht, hängt von der Anzahl der Windungen in der Wicklung ab. Deswegen verbaute der Erfinder eine zweite Spule, mit sehr viel mehr Windungen, in der er den Stromstoß induzieren ließ. Das gab einen kräftigeren Zündfunken, die Hochspannungsmagnetzündung war erfunden.
Das Prinzip dieser Zündung findet sich auch heute noch in den Zündanlagen kleiner Motoren, die keine Batterie haben. Nur dass der alte mechanische Unterbrecher, den man noch in den Siebzigern und Achtzigern des letzten Jahrhunderts bei Mofas und Mopeds fand, durch einen elektronischen Schalter ersetzt ist.
Man kann nun aber auch den Strom für das Magnetfeld von außen zuführen, anstelle ihn in der Zündanlagen mit einem Magneten zu induzieren. In der Zündspule befindet sich die Primärwicklung, die bei eingeschalteter Zündung vom Batteriestrom durchflossen wird. Außerdem ist dort auch die Sekundärwicklung, die sehr viel mehr Windungen besitzt. Zum Zündzeitpunkt wird der Strom in der Primärwicklung unterbrochen und das Magnetfeld bricht zusammen. Dadurch entsteht in der Sekundärwicklung ein Stromstoß mit einer sehr hohen Spannung, den der Zündverteiler zur Zündkerze desjenigen Zylinders leitet, der gerade mit Zünden dran ist.
Trafo und Generator
Die elektromagnetische Induktion spielt auch für unsere Stromversorgung eine wichtige Rolle. Zum einen wird im Kraftwerk der Strom von einem rotierenden Magnetfeld des Läufers in den feststehenden Statorwicklungen des Generators erzeugt. Dabei entsteht ein Wechselstrom, genauer gesagt eigentlich drei Wechselströme. Der Generator im Kraftwerk ist nämlich genau genommen drei Generatoren, weil er drei Stromkreise besitzt.
Die Wicklung dazu sind um jeweils 120° versetzt, so das drei einzelne Wechselströme entstehen, die sich gleichmäßig abwechseln. Zusammen ergeben sie den berühmten Drehstrom, den man für starke Elektromotoren verwendet. Man kann die drei Phasen des Drehstroms auch einzelnen benutzen. Dann hat man den Wechselstrom, den man für die allermeisten Sachen im Haushalt verwendet.
Wenn man einen Wechselstrom durch eine Wicklung – bei einem Trafo heißt sie Primärwicklung – schickt, entsteht natürlich auch wieder ein Magnetfeld. Dieses Magnetfeld baut sich sinusförmig auf und ab. Man kann damit in einer zweiten Wicklung, der Sekundärwicklung, wiederum einen sinusförmigen Wechselstrom erzeugen. Je nachdem, ob die Sekundärwicklung mehr oder weniger Windungen hat als die Primärwicklung, hat der Strom eine höhere oder eine niedrigere Spannung. Das Verhältnis der Spannungen entspricht dem Verhältnis der Windungszahlen. Die Stromstärke verhält sich umgekehrt, denn das Produkt aus Spannung und Strom – die elektrische Leistung – muss nach dem Ersten Hauptsatz der Thermodynamik ja stets gleich bleiben.
Im großen wie im Kleinen: Elektromagnetische Induktion im Trafo
Das geht natürlich nur mit Wechselstrom. Deswegen hat sich auch die Wechselstromtechnik von Tesla gegenüber der Gleichstromtechnik von Edison durchgesetzt. Nur Wechselstrom kann man beim Kraftwerk hochspannen, um ihn mit Hochspannungsleitungen über große Entfernungen zu liefern. Und umgekehrt, in der Nähe der Stromkunden wieder auf eine geeignete Spannung für den Haushalt herunter spannen.
Nach dem gleichen Prinzip wie die großen Transformatoren in den Umspannwerken funktionieren auch die kleinen in Netzteilen und Akkuladengeräten. Sie nutzen ebenfalls die elektromagnetische Induktion, um aus den 230 V des Lichtstroms Kleinspannung von 5 – 12 V für elektronische Geräte zu machen. Nur dass sie meistens auch noch einen Gleichrichter besitzen, da man für Elektronikzeugs Gelichstrom braucht.
Der Krieg der Spannungen: Der Wechselstrom siegt
Edisons Gleichstromkraftwerke erzeugten Strom mit 110 V, der so direkt an die Kunden geliefert wurde. Des funktionierte natürlich auch mit Induktion. Genaugenommen entsteht auch in einem Gleichstromgenerator zunächst Wechselstrom. Der wird aber mit einem Polwender gleichgerichtet. Danach pulsiert er aber immer noch. Wenn man einen „richtigen“ Gleichstrom will, muss man ihn noch glätten.
Bei niedrigen Spannungen sind nun die Verluste in den Stromleitungen sehr hoch, wenn diese länger als ein paar Hundert Meter sind. Deswegen musste fast an jeder Straßenecke eins von Edisons Kraftwerken stehen, wenn man eine flächendeckende Versorgung wollte.
Nur mit dem Wechselstrom ist es möglich, den Strom vom Kraftwerk durch elektromagnetische Induktion auf eine sehr hohe Spannung zu bringen und ihn weiträumig zu verteilen. Zu Zeiten von Edison und Tesla war es nun günstiger, den Strom für größere Gebiete zentral zu erzeugen und über so ein Netz mit Hoch-, Mittel- und Niederspannungsleitungen zu liefern.
Das war eigentlich klar. Aber trotzdem wehrte sich Edison mit Händen und Füßen gegen die Wechselstromtechnik von Tesla. Die beiden Pioniere lieferten sich einen erbitterten Marketingkrieg, der als War of Currents – Krieg der Spannungen – in die amerikanische Geschichte eingegangen ist.
War Edison so doof?
Wohl kaum. Es ist nämlich kaum vorstellbar, dass Edison, der geniale Erfinder, nicht erkennen konnte, dass die Wechselstromtechnik überlegen ist. Vermutlich sah er das schon, wollte aber sein Geschäftsmodell retten. Das bestand nämlich darin, dass er nicht nur die Glühbirnen, sondern auch die kleinen 110 V-Gleichstromkraftwerke sozusagen als komplettes System verkaufte. Das war sicherlich ein gutes Geschäft, das ihm aber letztendlich durch die elektromagnetische Induktion vermasselt wurde. Und natürlich durch Tesla, der diese zu nutzen wusste.
Dem Glühbirnengeschäft von Edison schadete der Sieg des Wechselstroms natürlich nicht. Glühbirnen funktionieren nämlich genauso gut mit Wechselstrom wie mit Gleichstrom. Und arm geworden ist der gute, alte Thomas Alva Edison auch nicht, obwohl er den Krieg der Spannungen verloren hat.
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