Oder: Warum man auf Selfies immer so doof aussieht

Fotografieren mit dem Handy ist watscheneinfach. Auch Leute, die vom Fotografieren keine Ahnung haben, bekommen mit dem Smartphone sehr ordentliche Bilder hin. Allerdings hat die Handykamera ihre Tücken, die man kennen sollte. Das gleiche gilt für kompakte Digitalkameras.

Fotografieren wurde einfach als die kompakten Autofokus-Kleinbildkameras aufkamen. Es wurde noch einfacher, als diese Taschenkameras digital wurden. Und seit dem es Smartphones mit eingebauter Kamera gibt, hat man den Fotoapparat auch immer dabei. Allerdings geht es der Kamera im Handy und auch der kompakten Digitalkamera so wie es allen einfach zu bedienenden Kameras geht: Sie stößt irgendwo an ihre Grenzen.

Fotografieren mit dem Handy – Auf das Auge kommt es an

Das wichtigste beim Fotografieren ist der Blick für das Motiv. Wer den nicht hat, wird auch mit der tollsten Profikamera keine guten Bilder hinkriegen. Wer ihn hat, bekommt auch mit einer einfachen Kamera wie sie im Smartphone eingebaut ist, sehr respektable Bilder hin.

Fotografieren mit dem Handy - Landschaftsbild
Ob Schnappschuss von unterwegs für den WhatsApp-Status… (Bild: Autor)

Den Blick fürs Motiv haben viele Leute. Daher sieht man erstaunlich viele gute Fotos, die mit Handykameras gemacht worden. Weil ein Foto mit dem Handy praktisch nichts kostet, kann man viel fotografieren. Und Übung macht bekanntlich den Meister. Auch wer den Blick fürs Motiv zunächst noch nicht so hat, wird daher besser: Das Auge lässt sich nämlich trainieren. Man sollte daher die Flinte nicht gleich ins Korn werfen, wenn es nicht auf Anhieb so klappen will wie man sich das vorstellt.

Bereits zu den Zeiten der konventionellen Fotografie mit Film und Entwickeln hieß es, dass man 90 % aller Aufnahmen mit einer ganz einfachen Kamera machen kann. Nur für spezielle Aufnahmesituationen benötigt man aufwändiges Equipment. Das gilt auch heute noch. Dazu kommt, dass man allerhand Effekte, für die früher trickreiche Arbeit im Labor nötig war, heute ganz einfach digital machen kann – oft sogar direkt im Handy.

Fotografieren wird immer einfacher

Ganz früher einmal musste man beim Fotografieren eine ganze Menge Dinge am Fotoapparat von Hand einstellen. Die Entfernung, die Blende und die Belichtungszeit. Dabei spielte die Beleuchtung eine wichtige Rolle, die man mit dem Belichtungsmesser maß. Das mit der Belichtung wurde einfacher, als der Belichtungsmesser in die Kamera wanderte: Jetzt zeigte er, ob die Belichtung bei der eingestellten Belichtungszeit und Blende o. k. war oder nicht. Dann gab es Automatiken, die zur eingestellten Blende die passende Belichtungszeit wählten oder umgekehrt oder wahlweise eins von beiden. Schließlich übernahm mit der Autofokus-Technik die Kamera auch noch das Scharfstellen.

Fotografieren mit dem Handy - technische Detailaufnahme
… oder technische Detailaufnahme – mit der Handykamera lässt sich einiges bewerkstelligen (Bild: Autor)

Einen Autofokus hatten dann auch die kompakten Kleinbildkameras, die man immer in der Tasche haben konnte. Für sie brauchte man aber immer noch das teure Filmmaterial, die Entwicklung und – wenn man Papierbilder statt Dias machte – die kostspieligen Abzüge. Und man sah erst, was man verbrochen hatte, wenn die Bilder aus dem Fotoladen zurückkamen. Diesen Mangel behoben dann die digitalen Kameras: Nicht nur, dass das digitale Bild fast nichts kostete. Man konnte jetzt gleich vor Ort sehen, ob ein Bild „etwas geworden“ war oder nicht. Und gegebenenfalls die Aufnahme wiederholen.

Und das ganz einfache Geheimnis der tollen Fotos professioneller Fotografen nutzen: viele Aufnahmen machen. Das funktionierte natürlich auch mit dem Film, aber da kostete es ein Heidengeld. Mit der digitalen Kamera dann fast nichts mehr. Und schließlich kamen die heutigen Kameras, die mit Programmen für unterschiedliche Arten von Bildern arbeiten und die einzustellenden Werte selbsttätig ermitteln.

Die Grenzen beim Fotografieren mit dem Handy

Schon zu Zeiten von Film und Entwicklung galt wie gesagt die Regel, dass man 90 % der Fotos mit einer ganz einfachen Kamera machen kann. Die aufwändige Technik braucht man nur für besondere Aufnahmesituationen wie etwa Gegenlicht oder ganz schwaches Licht oder Fotos mit einem genau eingegrenzten Schärfebereich oder Aufnahmen von ganz nahebei. Für so etwas braucht man aber keine Automatiken, sondern lediglich die entsprechenden Features, Verstellmöglichkeiten und manchmal Zusatzgeräte an der Kamera. Und natürlich das Wissen, was sie bewirken und was man damit bewirken kann.

In einfachen Kameras stecken technische Tricks, die das Fotografieren erleichtern, aber teilweise böse Folgen haben können, wenn man ihre Wirkung nicht kennt. Bei den ersten Kameras für jedermann wie der Kodak Instamatic gab es noch keine Automatiken. Auch die Entfernung konnte man nicht einstellen, dass Objektiv war so gebaut, dass es alles ab einer gewissen Entfernung scharf zeigte. Die Blende – die Einrichtung, mit der man den Durchmesser am Objektiv einstellt, durch den das Licht in die Kamera fallen kann, hatte oft nur wenige Einstellungen. Und man verwendete beim Objektiv eine kurze Brennweite, weil die den Entfernungsbereich, in dem die Objekte scharf sind, vergrößert. Aber das hat seinen Preis, wie wir noch sehen werden.

Die kurze Brennweite des Objektives behielt man dann bei den kompakten Autofokuskameras bei, weil sie die Arbeit der Scharfstellautomatik erleichtert: Wenn sowieso schon fast alles scharf ist, braucht sie nicht mehr viel zu tun. Diese Techniken stecken auch in digitalen Kompaktkameras und in Handykameras. Wenn man gewisse Regeln einhält, sprich: in den Grenzen bleibt, bekommt man damit gute Bilder. Aber man kann halt nicht alles fotografieren.

Die Wirkung der Brennweite – Normal-, Tele- und Weitwinkelobjektiv

Für die Optik gilt beim Fotografieren mit dem Handy das gleiche wie auch sonst beim Fotografieren. Die Brennweite einer Linse bzw. eines Objektivs ist die Entfernung, in der sich parallel einfallende Lichtstrahlen in einem Punkt treffen. Also die Entfernung, in der man ein Brennglas halten muss, wenn man etwas anzünden will. O. k., ich geb es zu: Ich hab mir auch schon einmal mit dem Objektiv meiner Kamera eine Zigarette angezündet, weil ich zu faul war, mein Feuerzeug aus dem Auto zu holen. Das funktioniert, weil eben auch Fotoobjektive einen Brennpunkt haben.

Die Brennweite eines Objektives spielt aber nicht nur eine Rolle, wenn man sich damit eine Zigarette anzünden will. Ihr Verhältnis zur Größe des Bildes, entscheidet darüber, wie der Abbildungsmaßstab ist. Maßgeblich ist der Durchmesser des Kreises, in dem das Bildformat liegt. Bei quadratischen oder rechteckigen Bildern ist das die Diagonale des Bildes.

Die Diagonale eines Kleinbildnegativs oder -dias beträgt laut dem Satz des alten Pythagerich ungefähr 50 mm. Das so genannte Normalobjektiv hat immer eine Brennweite, die jeweils etwa dieser Diagonalen entspricht, beim Kleinbild also 50 mm. Aufnahmen mit so einem Objektiv erscheinen uns in natürlicher Größe.

Kürzere Brennweiten verkleinern und längere Brennweiten vergrößern. Deswegen haben Teleobjektive, die wie Fernrohre wirken längere bis lange und gar sehr lange Brennweiten. Ein 500 mm Teleobjektiv für eine Kleinbildkamera entspricht also einem Fernrohr mit zehnfacher Vergrößerung.

Weitwinkelobjektive sind Objektive, deren Brennweite kleiner als die Bilddiagonale ist. Sie verkleinern und können dafür bei gleicher Entfernung einen größeren Bildausschnitt zeigen. Außerdem ist bei ihnen die Schärfentiefe (fälschlicherweise oft auch als Tiefenschärfe bezeichnet) größer als bei Normal- und Teleobjektiven. Die Schärfentiefe ist der Entfernungsbereich, zum Beispiel von 3 m bis 7 m, in dem uns die abgebildeten Dinge scharf erscheinen. Sie hängt mit der eingestellten Entfernung am Objektiv, der Brennweite und der Blende zusammen. Zoomobjektive sind nichts anderes als Objektive mit einer verstellbaren Brennweite.

Exkurs: Das Kleinbildäquivalent

Auch bei Digitalkameras gibt es eine Bilddiagonale, die darüber entscheidet, welche Brennweite die Normalbrennweite ist. Hier ist es die Diagonale des Sensors – ungenau auch als Chip bezeichnet – der das Stückchen Film ersetzt, welches welches früher bei jeder Aufnahme belichtet wurde.

Vor der Digitalfotografie war war schon seit vielen Jahren das Kleinbildformat 24 × 36 mm das Maß aller Dinge in der Fotografie. Seit die Filme so gut waren, dass man auch auf diesem kleinen Format eine vernünftige Auflösung hin bekam, ersetzte es auch bei vielen Profis das Mittelformat 6 × 6 cm.

Mond mit starkem Teleobjektiv aufgenommen
Kleinbildäquivalent: Das 500er Tele, das zu meiner Kleinbildausrüstung gehört, passt mit Adapter auch an meine CANON EOS 700D. Dort wirkt es sich über den Daumen gepeilt aus wie eine Brennweite von zwischen 700 und 800 mm an einer Kleinbildkamera – und ermögliche diese Teleaufnahme des Mondes (Bild: Autor)

Das bedeutet nun, dass zu der Zeit, als Digitalkameras aufkamen, Amateure und Profis klare Vorstellungen hatten, was eine bestimmte Brennweite bedeutet – und zwar bezogen auf das Kleinbildformat. Die Chips von Digitalkameras sind aber sehr oft kleiner. Kameras mit einem Chip im sogenannten Vollformat, der tatsächlich 24 × 36 mm hat, sind verhältnismäßig teuer. Man bekommt aber heute auch mit kleineren Chips gute Bilder hin. Würde man nun bei einem Objektiv für eine Digitalkamera die tatsächliche Brennweite angeben, müsste man sie immer in Beziehung zur Diagonalen des Chips dieser Kamera setzen, um sagen zu können, wie stark es vergrößert oder verkleinert.

Deswegen gibt man bei Objektiven für Digitalkameras die Brennweite gerne als sogenanntes Kleinbildäquivalent an. Ein Kleinbildäquivalent von zum Beispiel 100 mm bedeutet, dass die tatsächliche Brennweite des Objektivs so ist, dass es auf dem zugehörigen Chip so abbildet, wie ein 100 mm Objektiv auf dem Kleinbildformat.

Man muss jetzt zwar darauf achten, auf welche Kamera sich dieses Kleinbildäquivalent bezieht, hat aber dafür leichter eine Vorstellung, wie das Objektiv abbildet. Etwas schwierig ist das aber in der Praxis lediglich bei Objektiven, die dafür gemacht sind, mit entsprechenden Adaptern an unterschiedlichen Kameras verwendet zu werden. Der Normalverbraucher hingegen kauft in der Regel eher solche Objektive, die speziell zu seiner Kamera gehören.

Dümmliche Enkel und grenzdebile Selfie-Knipser

Nicht erst seit dem Fotografieren mit dem Handy möglich ist: Seitdem es die kompakten Kleinbildkameras gibt, verunstalten Omas ihre Enkel gnadenlos und grausam. Das hat folgenden Hintergrund: Wie gesagt, haben Weitwinkelobjektive eine große Schärfentiefe, sodass sich der Autofokus mit so einem Objektiv leichter tut. Zu einer Kleinbild-Spiegelreflexkamera gab es zu deren Zeiten serienmäßig ein Objektiv mit 50 mm Brennweite, also ein Normalobjektiv. Bei den kompakten Kameras jedoch verbaut man kürzere Brennweiten, typischerweise 35 mm: Hauptsächlich wohl, damit sich der Autofokus leichter tut. Eventuell auch, weil man damit näher ran kann.

Fotografieren mit dem Handy - Konventionelles Selfie
Auf aus der Hand geschossenen Selfies sieht man gerne recht dümmlich aus… (Bild: Selfie)

Und das „näher ran“ ist auch einer der beiden Gründe dafür, dass auf Omas Bildern das hübscheste und gescheiteste Kind aussieht, wie eine Abbildung aus einem medizinischen Fachbuch über Geisteskrankheiten und Schwachsinn bei Kindern: Weil man ja ein bildfüllendes Motiv haben will, geht die Oma mit ihrer Kamera ganz nah ran an den Enkel. Nun ist es aber so, dass Fotoobjektive umso stärker verzeichnen, je kürzer die Entfernung zum Motiv ist.

Damit ein Bild nicht auffällig verzeichnet, muss man etwa das Zehnfache der sichtbaren Objekttiefe als Abstand einhalten. Bei einem menschlichen Gesicht ist diese Objektiefe der Abstand von der Nasenspitze bis zum Rand der Ohren, also etwa 20 cm. Die Distanz, aus der man ein menschliches Gesicht fotografiert, beträgt daher mindestens 2 m. Will man nun nicht viel mehr als den Kopf bildfüllend haben, braucht man dafür ein Objektiv mit einem Kleinbildäquivalent von 100 mm. Gut, bei einem Kind ist die Tiefe des Gesichts etwas geringer, aber ein halber Meter Abstand ist auch hier viel zu wenig.

Der zweite Grund besteht darin, dass Omas Knochen nicht mehr ganz so beweglich sind. Sie geht daher nicht mit ihrem Objektiv auf Objekthöhe, wie ein Fotograf das tun sollte. Sie bleibt stehen und knipst schräg von oben, weil der Enkel ja viel kleiner ist. Und genau das ist ein probater Trick, mit dem Profifotografen zum Beispiel Politiker, die sie nicht leiden können, auf dem Foto dümmlich aussehen lassen.

Fotografieren mit dem Handy - Selfie auf Abstand
… besser wird es, wenn man die Kamera wo draufstellt, sich wenigstens in der Halbtotalen auffasst und den Selbstauslöser benutzt. (Bild: Selfie)

Genau die gleiche Situation wie bei der Oma-Enkel-Fotografie herrscht aber auch, wenn man mit dem Handy ein Selfie knipst: Der Abstand ist armlängenbedingt viel zu klein. Da bringt auch das bekannte Deppenzepter, der Selfie Stick nicht viel. Und sehr oft wird das Selfie schräg von oben geknipst. Was lernst du daraus? Folgendes: Wenn Du mit dem Handy Personen fotografierst, solltest Du als Bildausschnitt mindestens die Halbtotale wählen, also den kompletten Oberkörper Deines Modells mitfotografieren. Und dabei in die Knie gehen, damit Du waagrecht fotografierst.

Und: Liebe Omas! Fotografiert bitte Eure Enkel in der Totale und geht dazu in die Knie. Machen die nicht mehr mit, setzt Euch zum Knipsen auf einen Stuhl. Enkelchen ist ein wenig Aufwand beim Fotografieren wert.

Fotografieren mit dem Handy: Was geht?

Was für Motive eignen sich nun zum Fotografieren mit dem Handy? Wie gesagt: 90 % aller Aufnahmen kann man auch mit einfachen Kameras machen. Wichtig ist, dass Du nicht zu nahe an das Objekt rangehst, wenn es sich um eine Person handelt. Nahe ran zu gehen ans Objekt, ist zwar ein bekannter Tipp für gute Fotos. Das geht aber nur mit einer entsprechend langen Brennweite. Und die hat das Handy nicht.

Bei Sachaufnahmen kannst Du natürlich nahe herangehen. Hier ist es wichtig, dass das, was Du zeigen willst, deutlich zu sehen ist. Zum Beispiel, wenn Du das Innenleben eines Gerätes fotografierst, weil Du ein Ersatzteil bestellen willst.

Wenn Du ein Selfie knipsten willst, dann tut das nicht aus der Hand. Stell Dein Handy irgendwo drauf und benutze den Selbstauslöser. So kannst Du Dich in der Halbtotalen knipsten. Noch besser geht das, wenn Du ein kleines Stativ im Taschenformat verwendest.

Je nachdem, wie gut die Kamera in Deinem Handy ist, wirst Du mehr oder weniger Möglichkeiten haben. Üblich sind heute auch Aufnahmeprogramme, also Modi für bestimmte Motive und Aufnahmesituationen wie es sie auch bei Digitalkameras gibt.

Natürlich hat die Handykamera einen Autofokus. Oft kannst Du auch mit Antippen eines Bereichs festlegen, worauf die Kamera scharf ziehen soll. Manchmal gibt es auch die Möglichkeit, von Hand scharf zu stellen. Auch die Belichtung lässt sich oft variieren.

Für Situationen mit wenig Licht sind auch mit dem Handy recht lange Belichtungszeiten möglich. Aufnahmen aus der Hand verwackeln dann. Ein Stativ schafft hier Abhilfe. Bereits eines im Taschenformat, dass man für kleines Geld bekommt, tut gute Dienste. Meist wird sich etwas finden, auf das man so ein Stativ stellen kann, damit das Handy in der richtigen Höhe ist. In Innenräumen zum Beispiel ein Tisch, im Freien notfalls auch das Autodach. So gelingt auch die Waldsilhouette vor dem Abendhimmel.

Ein Vorteil, den man beim Fotografieren mit dem Handy nutzen kann, ist das Display, das ja auch bei Digitalkameras vorhanden ist. Auf diesem sieht man nämlich das Motiv durch das Kameraobjektiv, im Prinzip wie bei einer Spiegelreflexkamera. Das hilft natürlich bei der Auswahl des Bildausschnitts.

Und jetzt viel Spaß beim Knipsen mit dem Handy!