Was leistet ein Pferd?

Eigentlich ist es keine gesetzliche Einheit mehr, das PS. Irgendwie aber doch geduldet, denn man darf mechanische Leistung zusätzlich zu der Angabe Kilowatt in PS vermerken. Das wird vor allem bei Autos und Motorrädern auch grundsätzlich gemacht. Eine Pferdestärke ist weniger als ein Kilowatt, daher ist bei gleicher Leistung die Zahl größer, wenn man sie in PS angibt. Aber wo kommt diese Einheit eigentlich her? Und wie ist sie definiert?

Pferdestärke - Schnelles Auto
Obwohl die gesetzliche Einheit der Leistung heute das Killowatt ist, sprechen wir im Zusammenhang mit Autos und Motorrädern nach wie vor von PS. (Bild: George Hodan/Lizenz: PD)

Wenn so ein Gaul mal richtig loslegt, kann er deutlich mehr als eine Pferdestärke leisten. Mit durchschnittlich bis zu 24 PS geht er dann nämlich zu Werke. Allerdings hält er das nicht lange durch. Die Leistung, die ein Arbeitspferd über einen ganzen Arbeitstag erbringen kann, bewegt sich tatsächlich in der Größenordnung eines dreiviertel Kilowatt, dem ein PS in etwa entspricht.

James Watt und die Pferdestärke

Definiert hat die Pferdestärke James Watt, der als erster eine Variante der Dampfmaschine baute, die sich auch richtig gut verkaufen ließ. Der Gedanke war, dass man die Leistung einer Dampfmaschine so angibt, dass der potentielle Käufer sich davon eine Vorstellung machen kann. Und da seinerzeit der gute, alte Hafermotor recht verbreitet war, bot sich die Dauerleistung eines Arbeitspferds als Einheit an.

Dampfmaschine
Als die Dampfmaschine etwas ganz Neues war, hatten die Menschen ein gute Vorstellung davon… (Bild: Zandcee/Lizenz: CC Attribution-Share Alike 4.0 International)

Da James Watt offenbar von ähnlichen Werten ausging wie die Definitoren des metrischen PS, unterscheidet sich das Insel-PS nicht sehr von unserem DIN- genormten: Mit 746 W entspricht es auch wieder etwa einem dreiviertel Kilowatt. Die offizielle Bezeichnung dafür ist BHP – British Horsepower.

Früher war das PS – komisch eigentlich, man sagt „das PS“, es ist aber die Abkürzung für „die Pferdestärke“ – bei uns und in anderen metrischen Ländern die Einheit der mechanischen Leistung. Elektrische Leistung gab man Kilowatt an und Wärmeleistung in Kalorien. Bei unserem aktuellen Einheitensystem werden alle Leistungen in Kilowatt gemessen, egal ob es sich um mechanische, elektrische oder Wärmeleistung handelt.

Das DIN-PS und seine Geschwister

Die Definition der Pferdestärke in der Physik bzw. im Maschinenbau war auch früher schon international. Unterschiede gibt es allerdings bei den PS-Angaben für Kraftfahrzeugmotoren. Die beziehen sich aber nicht auf die rechnerische Definition, sondern die Umstände, unter denen die Leistung gemessen wird. Beim DIN-PS wird die Leistung ermittelt, die der Motor in einem Auto an die Kupplung bzw. das Getriebe abgibt. Das ist nicht volle Leistung des Motors, denn ein Teil davon geht ja für den Antrieb der Nebenaggregate wie Wasserpumpe und Lichtmaschine drauf.

Beim amerikanischen SAE-PS wird diese Leistung mitgerechnet, indem die Nebenaggregate bei der Messung gesondert angetrieben werden. Realistischer ist also das DIN-PS, da ist der Leistung entspricht, die tatsächlich an den Antriebsstrang abgegeben wird. Noch realistischer ist die Messung der Leistung am Antriebsrad bzw. den Antriebsrädern. Das ist die Leistung, die von dem jeweiligen Auto oder Motorrad auch tatsächlich auf die Straße gebracht wird.

Pferdestärke - Zugpferd vor dem Pflug
… was ein Pferd an Arbeitleistung erbrachte… (Bild: Sally V/Lizenz: CC Attribution-Share Alike 4.0 International)

Die italienischen CUNA-PS schließlich werden wiederum wie die DIN-PS mit allen Nebenaggregaten gemessen. Aber ohne Luftfilter und Auspuffanlage. Wie das bei modernen Motoren funktionieren soll, ist mir allerdings nicht ganz klar: Schon allein die Lambda-Sonde, die ja im Auspuff sitzt und fehlt, wenn er nicht dran ist, ist ja für das korrekte Funktionieren eines heutigen Automotors erforderlich. Bei Zweitaktern wären CUNA-PS noch nie realistisch gewesen. Ohne seinen genau abgestimmten Auspuff verliert der Motor mit dem sprichwörtlichen drei beweglichen Teilen nämlich erheblich an Leistung.

Realistisch: Die Leistung an den Antriebsrädern

Die Antriebsleistung „am Hinterrad“ respektive an den angetriebenen Rädern, ist eigentlich der Wert, der interessiert. Diese Leistung ist nämlich diejenige, die dem rechten Fuß bzw. der rechten Hand zu Gebote steht, um das Auto bzw. das Motorrad nutz- oder spaßbringend zu bewegen. Sie kann bei gleicher Leistung des Motors variieren. Hier redet nämlich der Wirkungsgrad des Antriebsstrang ein Wörtchen mit: Ein Auto mit einem herkömmlichen Automatikgetriebe zum Beispiel bringt in der Regel etwas weniger Fahrleistungen als das gleiche Modell mit Schaltgetriebe und hat auch mehr Durst. Hier dürfte übrigens ein weiterer Vorteil des Doppelkupplungsgetriebes als Alternative zum altväterlichen Automatikgetriebe mit hydraulischem Wandler liegen. Und das Allrader mit permanentem Allrad saufen, weiß jeder.

Die Leistung am Antriebsrad bzw. den Antriebsrädern kann man auch jederzeit am fahrbereiten Fahrzeug auf einem Prüfstand messen. Als um 1980 die Verkehrspolizei transportable Prüfständen bekam, war es vorbei mit den goldenen Zeiten für Mopedfrisierer: Die gestrengen Ordnungshüter können dem Fahrer eines verdächtig schnellen Mofas oder Mopeds – bzw. heute eher Rollers – seither an Ort und Stelle nachweisen, dass die Leistung seines Fahrzeugs höher ist als erlaubt. Vorher konnte das nur der TÜV und bis zum Termin einer angeordneten Vorführung war in der Regel genug Zeit für einen Rückbau in juristisch einwandfreien Zustand, so man unveränderte Exemplare der modifizierten Teile vorhielt. Man war ja schließlich nicht so dumm und setzte die große Tuningfeile an dem einzigen Zylinder an, den man hatte.

Das Pferd und die Pferdestärke

Welchen Bezug aber hat nun die Pferdestärke zur praktischen Arbeitsleistung eines Pferdes? Das kann man anhand der Formel für die mechanische Leistung überschlägig nachprüfen. Leistung ist ja verrichtete mechanische Arbeit pro Zeiteinheit:

P = W/t

Da die Arbeit sich als Produkt aus Kraft und Weg ergibt:

W = F * s

kann man für die sie auch folgende Formel schreiben

Zieht man die Kraft F nun vor den Bruchstrich, wird daraus

Und weil ja

ist, kann man die Leistung auch als Produkt aus Kraft und Geschwindigkeit auffassen:

P = F*v

Nun, ich habe mal irgendwo gelesen, dass die Zugkraft, die ein Pferd dauerhaft erbringen kann, etwa einem Zehntel seiner Gewichtskraft entspricht. Und die auch heute noch im Straßenverkehrsrecht mit 6 km/h angesetzte Schrittgeschwindigkeit dürfte sich weniger auf einen gehenden Menschen sondern eher auf ein im Schritt laufendes Pferd beziehen.

… daher schuf James Watt die Einheit Pferdestärke, in der man die Leistung einer Dampfmaschine auf griffige Art und Weise angeben konnte. (Bild: Historisch)

Rechnet man nun – o. k., vielleicht etwas bescheiden – die Masse eines Pferdes mit 500 kg, beträgt sein Gewicht in der alten Einheit der Kraft 500 kp (Kilopond). Und seine Zugkraft also 50 kp. Rechnet man nun die 6 km/h der Schrittgeschwindigkeit wie in der Fahrschule daumenpeilend mit dem Faktor vier in m/s um, ergibt das 1,5 m/s. Der genaue Faktor ist natürlich 3,6, aber sicherlich wollten die Erdenker der metrischen Pferdestärke keinen übermäßig krummen Wert.

Rechnet man also mit Leistung = Kraft mal Geschwindigkeit und 50 Kilopond für die Kraft sowie 1,5 m/s für die Geschwindigkeit ergibt sich mit

P = F * v

P = 500 kp * 1,5 m/s

P = 75 mkp/s

also genau die Definition der Einheit Pferdestärke.

Und was sagen die Herren Watt und Newton dazu?

Der gute, alte James Watt hat also offenbar ganz ähnliche Werte angesetzt wie wir gerade. Nur dass er eben mit englischen Füßen und Pfunden gerechnet hat. Die Pferdchen, die unter den Hauben legendärer Fahrzeuge wie Lord Brett Sinclairs Aston Martin Dienst tun, entsprechen ja mit je 746 Watt ziemlich genau denen, die beim Deutschen Institut für Normung im Stall stehen.

Pferdestärke - 2C Deux Chevaux
Deux Chveaux – zwei Pferde bedeutet das Kürzel 2 CV, der Typname der Ente. Allerings sind hier keine DIN-PS oder BHP gemeint, sondern die seltsamen Steuer-PS, die in Frankreich und Südeuropa zur Bemessung der Kfz-Steuer dienen (Bild: BullDoser/Lizenz: PD)

Rechnen wir ganz nonchalant und daumenpeilend nach dem Brauch der Ingenieure die Gewichtskraft 1 Kilogramms – also auch ein Kilopond – zu 10 N, bekommen wir ja den handlichen Wert 750 W für unsere Pferdestärke – und natürlich die aller metrischen Länder. Und den bereits eingangs genannten groben Faktor 1 1/3 für die Umrechnung von KW in PS.

Der genaue Faktor 1,36 weich davon warum ab? Ganz klar: Weil die Gewichtskraft 1 Kilogramms Masse strenger berechnet nicht 10 N sondern 9,81 N beträgt:

1 PS = 75 * 9,81 Nm/s

1 PS = 735,75 Nm/s

1 PS = 735,75 W

Teilen wir nun die 1000 W eines Kilowatts durch diesen Wert, ergibt sich der Faktor 1,359157322460. Auf drei Stellen gerundet also die berühmten 1,36 PS die 1 kW entsprechen. Die 735,75 W unseres toitschen Normgauls liegen also etwas weiter von Herrn Watts very britishem Standard-Ross entfernt als der Daumenwert 750 W. Das schadet aber nicht, wir können trotzdem die BHP-Angaben bei älteren englischen Autos und Motorrädern in etwa mit denen unserer Fahrzeuge vergleichen.

Und die Französischen Chevaux?

Wer bereits ein wenig länger jung ist, wie ich, kennt noch die Ente von Citroën. In seligen Hippie-Zeiten wars sie neben dem VW-Bus ein beliebtes Fahrzeug langhaariger Blumenkinder. In Frankreich war sie unter dem Namen Deux Chevaux – Zwei Pferde – bekannt. Die offizielle Bezeichnung 2 CV steht nämlich genau dafür. Diese Kennzahl – denn um eine solche handelt es sich – findet sich, mit oder ohne dem CV – auch in den Modellbezeichnungen anderer französischer Autos.

Nun wie? Wer sie noch kennt, die Ente, weiß, dass ihr Triebwerk ja ein verhältnismäßig schmalbrüstiges ist. Aber etwas mehr als zwei PS hat sie dann doch. Wieso dann zwei Pferde? Und auch mein Renault 20, den ich vor vielen Jahren besaß, war eindeutig stärker als 20 PS.

Das ist ganz einfach, denn bei diesen Angaben ist nicht die physikalische Pferdestärke, die alte Einheit der mechanischen Leistung gemeint. Vielmehr sind das französische Steuer-PS, deren Definition nicht viel mit der wirklichen mechanischen Leistung eines Motors zu tun hat. Wer wird auch von Beamten und Politikern irgend einen Bezug zur Realität erwarten?

O. k., einen gewissen Bezug zur Realität hat das Steuer-PS, das übrigens auch in anderen Ländern angewendet wurde bzw. wird, zu seiner Zeit doch gehabt. Die armen französischen Automobilisten wurden nämlich von Anfang an von ihrem Staat mit einer Steuer geschröpft. Bei uns kann sie erst später.

Traction Avant
Auch die verschiedenen Varianten des bei Oldtimer-Freunden sehr beliebten Traction Avant von Citroen wurden mit den Steuer-PS-Zahlen des jeweils verbauten Motors bezeichnet. (Bild: Wikimedia Commons/Lizenz: CC „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“)

In Frankreich existierte nämlich schon vor dem Aufkommen der Automobile eine Steuer auf Kutschen. Und die berechnete man nach der Anzahl der Pferde, die man vor die Kutsche spannte und der Anzahl der Achsen. Nach dieser Formel kamen die neuartigen Autos natürlich gut weg. Sie besaßen ja null Pferde und man konnte daher nur die Achsen besteuern. Um Steuergerechtigkeit besorgt, suchte man also nach einem Kennwert, der einen pferdelosen Wagen mit einem vergleichbar machte, der von realen Pferden gezogen wurde.

Man dachte sich dazu eine Formel aus, in die ab 1900 gewissermaßen die Größe des Motors einging. Zylinderzahl, Bohrung, Hub und Drehzahl sowie ein Koeffizient für die Zylinderzahl wurden dazu herangezogen. In die heute in Frankreich benutzte Formel wird übrigens neben der tatsächlichen Motorleistung auch der Ausstoß von bösemTM, bösemTM CO2 einbezogen, die ein Motor erzeugt.

Die Pferdestärke und der französische Dampf

Was vielleicht nicht so bekannt ist: Neben Großbritannien ist auch Frankreich ein altes Industrieland. Bereits zu Zeiten des Merkantilismus förderte der Staat dort die Wirtschaft. Dort gab es schon Industrie, als man bei uns in X Miniaturstaaten sein Geschäft noch über den Balken verrichtete und den Mond mit der Stange weiter schob.

Daher bestand in Frankreich auch recht früh das Bedürfnis, die Leistung der neuartigen Dampfmaschinen mit denen von Arbeitswerten zu vergleichen. Neben der steuerlichen gab es in Frankreich daher auch eine physikalische Pferdestärke, das Cheval Vapeur, zu deutsch etwa Dampfpferd. Nun ist Frankreich ja das Geburtsland des metrischen Systems, von Meter und Kilogramm. Daher entspricht die französische Pferdestärke mit 75 kgm/s genau der unseren.