Länge, Masse, Zeit und Co.

Eine ganz wichtige Sache in der Physik sind die Einheiten, in denen physikalische Größen angegeben werden. Dabei gibt es Grundeinheiten, die man ursprünglich mal an natürlichen Größen wie dem Umfang der Erde oder der Dauer eines Sonnentages festgemacht hat. Davon leitet sich dann eine Unzahl von zusammengesetzten Einheiten ab, die oft auch eigene Namen haben. Dabei gibt es ein kleines Geheimnis: Wer die Einheit einer physikalischen Größe kennt und versteht, braucht sich die Formel nicht mehr zu merken, mit der sie berechnet wird.

Die Physik ist eine exakte Wissenschaft und arbeitet mit gemessenen und berechneten Zahlen. Es geht, auf gut Deutsch gesagt, um Maße und Gewichte. Jeder weiß, dass Längenmaße zum Beispiel in Meter angegeben werden bzw. in dessen Vielfachen und Bruchteilen (Kilometer, Millimeter…). Wenn man eine Länge nur mit einer Zahl wie zum Beispiel 120 angeben würde, würde das noch gar nichts besagen. Schließlich weiß man ja nicht, ob da 120 m, 120 Meilen, 120 Fuß oder was auch immer gemeint sind.

Physikalische Einheiten sind immer dabei – zumindest unsichtbar

Eine der Ausnahme, die ich kenne, gibt es bei den Metallern: Wenn so einer sagt etwas sei „120 lang“, wissen die anderen Metaller, dass er damit Millimeter meint. Das ist aber gewissermaßen eine Absprache unter diesen seltsamen Menschen und deswegen ist die Einheit gewissermaßen eben doch da. Es gibt da sogar eine Norm, die festlegt, dass in den technischen Zeichnungen der Metaller alle Maße ohne Einheit als Millimeter gemeint sind.

Steinzeithaus
Um ein solchesjungsteinzeitliches Haus zu bauen, reichte sicherlich das Messen mit den eigenen Körperteilen – Spanne, Daumenbreite… – noch aus (Bild: Sarah Coesfeld/Lizenz CC: Attribution-Share Alike 4.0 International)

Ähnliches gibt es auf dem Bau und bei den Schreinern, aber in aller Regel werden physikalische Einheiten hinter die jeweiligen Zahlen geschrieben: Eine Tagesetappe beim Wandern mag 23 km sein, man kann 250 g Wurst kaufen, 1 l Milch trinken, muss laut Stromrechnung 2350 kWh bezahlen usw.

Dabei gibt es nun ganz grundlegende physikalische Einheiten, die für sich definiert sind und solche, die sich aus den grundlegenden Einheiten ableiten. Die 23 km Tagesetappe beziehen sich auf das Meter, das als 40.000.000. Teil des Erdumfanges am Äquator definiert ist. Das Kilogramm, das in den 250 g Wurst steckt ist die Masse 1 Liters Wasser bei 4 °C. Dieser Liter ist nichts anderes, als ein Würfel mit einer Kantenlänge von 1 dm – also auch wieder auf das Meter bezogen. Bei den Kilowattstunden ist es etwas komplizierter, aber davon wird noch die Rede sein.

Maßeinheiten werden festgelegt

Irgendwann in der Steinzeit begann der Mensch, sozusagen handwerklich zu arbeiten. Und irgendwann musste er dann auch messen. Am Anfang noch nicht so genau. Wenn er zum Beispiel beim Bau einer Hütte ein Stück Holz von einer bestimmten Länge benötigte, konnte er das mit seiner Handspanne abmessen. Oder kleinere Längen mit der Breite seines Daumens. Da kommt übrigens die altmodische Maßeinheit Zoll her.

Römische Bauten
… aber als es an solche Bauten ging, benötigte man einheitliche Maße (Bild: PxHere/Lizenz: PD)

Solange der Steinzeitmensch für sich alleine vor sich hin werkelte, reichte das aus. Als aber Arbeitsteilung und Handel begannen, brauchte man irgendwann einheitliche Maße. Es blieb zunächst bei den Körpermaßen. Man zog dazu wohl irgend eine herausragende Person heran, zum Beispiel den König. Und wenn man dessen Fußlänge, Daumenbreite usw. erst einmal festgestellt und Vergleichsstücke angefertigt hatte hatte, konnte man die Maße ja auch über dessen Tod hinaus verwenden.

Physikalische Einheiten, dass SI und das Dezimalsystem

So entstanden Maße und Gewichte, die von Land zu Land verschieden waren. Außerdem verwendete man früher bevorzugt das Zwölfersystem: Ein Fuß entsprach 12 Zoll und der Zoll war wieder in zwölf Linien unterteilt. Teilweise – bei Gewichten etwa – war das noch komplizierter, aber das soll uns hier nicht weiter interessieren.

technische Zeichnung in mm
„Die technische Zeichnung ist die Sprache der Techniker,“ sagt man. Aber diese Sprache wäre unverständlich, wenn nicht neben anderen „Vokabeln“ die Einheit, in der die Maße angegeben sind, genau definiert wäre (Bild: Autor)

Beim Rechnen gab es das Dezimalsystem schon lange vor dem metrischen System. Es ist bereits aus dem alten Indien überliefert und auch Adam Riese empfahl es. Der flämische Mathematiker Simon Stevin (1548/49 – 1620) schlug 1585 sogar bereits ein rein dezimales Maßssystem vor. Bis es das tatsächlich gab, dauerte es aber noch eine Weile.

Das Meter tritt auf den Plan

In Frankreich wurde nach der Revolution von 1789 dann das erste Mal bei Maßeinheiten das Dezimalsystem eingeführt. Und zwar zunächst sehr rigoros: Außer Längenmaßen, Hohlmaßen usw. wurden auch Uhrzeit und Kalender dezimalisiert. Die Woche hatte jetzt zehn Tage und der Tag 10 Stunden zu 100 Minuten. Das erwies sich aber als ungeschickt. Man kehrte daher zu der alten Zeitrechnung zurück, aber ansonsten blieb es – mit einer Unterbrechung – beim Dezimalsystem.

Physikalische Einheiten - Bügelmessschraube - Mikrometer
Mit dem Fortschreiten der Technik ging es dann immer genauer. Und das funktioniert nur, wenn die Maßeinheiten genau definiert sind (Bild: Historisch)

In Frankreich wurde auch das Meter festgelegt und das Kilogramm. Das Urmeter und das Urkilogramm als physische Körper existieren heute noch, haben aber nur noch museale Bedeutung. Heute kalibriert man Messzeuge und Messgeräte anhand von physikalischen Größen, die sich jederzeit experimentell ermitteln lassen. So hängt zum Beispiel die Definition des Meters heute mit der Lichtgeschwindigkeit zusammen.

Aus Frankreich gelangte dann das metrische System in andere Länder. In Deutschland beispielsweise ging man nach der Gründung des Kaiserreiches 1871 zum metrischen System über. Heute ist sogar das vereinigte Königreich von Großbritannien in seiner Splendid Isolation metrisch geworden, woran wahrscheinlich auch der Brexit nichts mehr ändern wird. Von den großen Ländern halten lediglich noch die USA eigensinnig an Zoll, Gallone und Pfund fest.

Die allerwichtigsten Einheiten und das SI

Heute sind die physikalischen Maßeinheiten, ihre Definitionen und ihre Beziehungen untereinander im SI (System international) festgelegt. Es gibt hier sieben Grundeinheiten, auf die sich alle anderen Einheiten beziehen:

  • Für die Zeit (Formelzeichen t) die Sekunde (s)
  • Für die Länge bzw. den Weg (Formelzeichen l bzw. s) das Meter (m)
  • Für die Masse (Formelzeichen m) das Kilogramm (kg)
  • Für die elektrische Stromstärke (Formelzeichen I) das Ampere (A)
  • Für die thermodynamischen Temperatur (Formelzeichen T) das Kelvin (K)
  • Für die Stoffmenge (Formelzeichen n) das Mol (mol)
  • Für die Lichtstärke (Formelzeichen lv) die Candela (cd)
Physikalische Einheiten - Urmeter-Kopie
Auch die USA besitzen schon lange eine Kopie des Urmeters, obwohl man dort auch heute noch eigensinnig an Zöllen und Füßen festhält. Mittlerweile sind aber schon lange auch die angelsächsischen Maße über das Meter definiert. (Bild: NIST/Lizenz: PD)

Man muss jetzt aber aufpassen, dass man Einheiten und Formelzeichen nicht durcheinanderbringt. So ist das kleine t sowohl das Formelzeichen für die Zeit, aber auch die Abkürzung für die Masseneinheit Tonne (1000 kg) und das kleine s kann das Formelzeichen für den Weg, aber auch die abgekürzte Maßeinheit der Zeit, die Sekunde sein. Verwechslungen kann man ausschließen, wenn man darauf achtet, was vor dem Buchstaben steht: Steht ein Rechenzeichen oder ein Gleichheitszeichen davor oder dahinter, ist es ein Formelzeichen, zum Beispiel: v = s/t – Geschwindigkeit v ist gleich dem Weg s geteilt durch die Zeit t. Steht eine Zahl davor, dann stellt es die Maßeinheit dar: t = 30 s – die Zeit t ist gleich 30 Sekunden.

Nicht ganz konsequent

Bei genauerem Hinsehen sind nicht alle dieser Einheiten wirklich grundlegend, dafür fehlt eine grundlegende Einheit: Die Einheit der Stromstärke Ampere bedeutet, dass durch einen elektrischen Leiter pro Sekunde 1 C (Coulomb) elektrische Ladung fließt. Grundlegend ist also eigentlich das Coulomb. Und das ist auch grundlegend definiert: Das sind nämlich rund 6,24 ‚ 1018 Elektronen. Wenn etwas mit einem Coulomb negativ geladen ist, dann ist dort diese Anzahl Elektronen zu viel da. Eine positive Ladung von einem Coulomb bedeutet, dass diese Anzahl Elektronen fehlt. Darüber sollten wir aber an anderer Stelle einmal gesondert reden; hier würde es zu weit führen.

Physikalische Einheiten - Urkilogramm-Kopie
Auch zwei Kopien des Urkilogramms besitzen die USA (Bild: Historisch)

Auch die Lichtstärke lässt sich aus anderen Einheiten ableiten. Letztlich sogar aus den drei grundlegenden der Mechanik. Aber auch das würde hier erst einmal zu weit führen.

Grundlegende physikalische Einheiten in der Mechanik

Die Mechanik kommt letztendlich mit nur drei grundlegenden physikalischen Einheiten aus: Das ist das Meter für Länge und Strecke, das Kilogramm für die Masse und die Sekunde für die Zeit. Meter und Sekunde sind sehr einfach zu verstehen. Ein Meter ist der 40millionste Teil des Erdumfangs über die Pole. Man hat das irgendwann einmal sehr genau ausgemessen und als zwei Markierungen auf einer Schiene aus Platin mit einem Schuss Iridium dargestellt. Dieses Teil heißt Urmeter und wird auch heute noch in Paris aufbewahrt.

Die Sekunde ist der 86400ste Teil eines mittleren Sonnentages. Einen Sonnentag stellt man sich am einfachsten vor als die Zeit, die vergeht während die Sonne einmal scheinbar um die Erde wandert. Diese Zeit variiert ein wenig, weil die Bahn der Erde um die Sonne kein exakter Kreis, sondern eine Ellipse ist. Daher nimmt man hier einen Mittelwert, eben den mittleren Sonnentag. Auch unsere Uhren richten sich nach dem mittleren Sonnentag, daher kommt es, dass die Sonne auch auf dem 15. Längengrad nicht immer genau um 12:00 Uhr mitteleuropäischer Zeit exakt im Süden steht.

Bevor es elektronische Uhren gab, baute man hochpräzise mechanische Uhren wie diesen Chronometer… (Bild: Rémi Kaupp/Lizenz: CC Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Das Kilogramm entspricht der Masse von 1 l reinem Wasser bei 4 °C. Ein Liter ist nun nichts anderes als ein Kubikdezimeter, also auch über das Meter definiert. Verkörpert wird das Kilogramm durch einen Zylinder, wiederum aus Platin mit einem Schuss Iridium, der genau diese Masse hat. Das ist das Urkilogramm und auch das wird in Paris aufbewahrt.

Aufgepasst: Das Kilogramm ist die Einheit der Masse, auch wenn man oft im Zusammenhang mit Gewichten von Kilogramm, Gramm oder Tonnen spricht. Was der Unterschied zwischen Masse und Gewicht ist und wie sie zusammenhängen, das steht in diesem Artikel.

Neuere Definitionen aus dem Labor

Früher benutzte man das Urkilogramm und das Urmeter tatsächlich, um damit Maßstäbe und Gewichtssteine zu kalibrieren. Das ging dann über irrsinnig genaue Kopien dieser Gegenstände und war sehr aufwendig. Ebenfalls aufwendig war es, die genaue Zeit in einer Sternwarte zu ermitteln. Außerdem waren den Physikern diese Methoden irgendwann dann doch zu ungenau. Deswegen suchte man nach Methoden, mit denen man im Labor genau 1 m, genau 1 kg und genau 1 Sekunde bestimmen kann.

… oder diese Präzisionspendeluhr. (Bild: Eugenio Hansen, OFS/Lizenz: CC Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Das Meter definiert man heute im Prinzip über die Lichtgeschwindigkeit. Die Sekunde kann man aus der Periodendauer einer ganz bestimmten Strahlung ableiten. Das geht beides schon länger. Ziemlich neu aber ist die Methode, mit der man auch das physische Urkilogramm in Rente schicken konnte, welches man bis 2019 noch benötigte. Seitdem hat man eine Methode mit der man im Prinzip über die Trägheit die Masse von 1 kg definieren kann.

Und hier gehts weiter mit den zusammengesetzten Einheiten: Im Teil II der Geschichte